Nordische So-lala-Bilanz

Der einzige Trost: Es war ein sogenannter Übergangswinter. Mit Ausnahme der Skispringer, die am Kulm in Österreich die Weltmeistertitel im Skifliegen unter sich ausmachten, gab es in den nordischen Disziplinen in der Wintersaison 2023/24 keinen wirklichen Saisonhöhepunkt. Das macht es ein klein wenig erträglicher, dass die Sportlerinnen und Sportler des Deutschen Skiverbandes der Musik großenteils hinterherliefen, anstatt den Ton anzugeben. Die DPA machte sich den Spaß, den deutschen Wintersportlern nach Abschluss der Weltcup-Saison ein Zeugnis auszustellen. Während Bob und Rodeln mit den Noten 1 und 2 glänzte, schnitten die Nordischen durchschnittlich ab. Die Kombinierer erhielten eine Vier und die Skispringer eine Drei. Nur das DSV-Langlauf-Team konnte mit Zeugnisnote 2 überzeugen. Auch wir blicken noch einmal zurück auf die Schattenmomente der Saison, sehen aber ein Jahr vor der Nordischen Ski-WM in Trondheim und zwei Jahre vor den Olympischen Winterspielen in Cortina d'Ampezzo auch Lichtblicke.

Skispringen: Die Siegerehrungen beim Saisonfinale im slowenischen Planica müssen für das Männer-Team von Bundestrainer Stefan Horngacher ganz schön bitter gewesen sein. Viermal erklang die österreichische Bundeshymne. Zweimal für Daniel Huber, den Tagessieger und besten Skiflieger der Saison, einmal für Stefan Kraft, den Gesamtweltcup-Sieger und einmal für das gesamte ÖSV-Team, das den Nationencup mit einem neuen Punkterekord von 8149 Zählern für sich entschied. Deutschland dagegen, das vor der Vierschanzentournee Mitte Dezember noch große Kampfansagen über die Grenze geschickt hatte, kam am Ende auf 5022 Punkte. In den 100 Tagen von Mitte Dezember bis zum Saisonende Mitte März hatte sich das Machtgefüge massiv verschoben. Richtung Austria, weg auch von den deutschen Adlern. Einziger Lichtblick war Andreas Wellinger. Der 28-jährige Ruhpoldinger sprang seine beste Saison, erlebte mit den Erfolgen bei den Heim-Weltcups in Oberstdorf und Willingen auch emotionale Ausnahmemomente und bewies mit neun weiteren Podestplätzen, dass er dran ist an der Weltspitze. Der Stockerlplatz im Gesamtweltcup hinter Kraft und Kobayashi darf als großer Erfolg gewertet werden. "Auch wenn ich mir das ganze Planica-Wochenende schwergetan habe: es geht eine grandiose Saison zu Ende", sagte Wellinger. Der Olympiasieger aus Oberbayern hatte nämlich bei der Skiflug-WM in Österreich auch noch Silber im Einzel und Bronze mit dem Team gewonnen. 

Bei allen anderen fehlte die Konstanz: Oldie Pius Paschke gewann in Engelberg, Karl Geiger zweimal in Klingenthal und auch Stephan Leyhe und Philipp Raimund ließen mit zwei Podestplätzen ihr Können aufblitzen. Horngacher bilanzierte in Planica etwas geknickt. "Am Schluss ist uns das Gas ausgegangen. Daraus werden wir unsere Lehren ziehen, daran werden wir arbeiten." 

Nicht so stark wie in den Vorjahren präsentierten sich die Frauen. Katharina Schmid (geborene Althaus), im Vorjahr dreifache Weltmeisterin und Dritte bei der Wahl zur „Sportlerin des Jahres“, wurde im Gesamtweltcup nur Zehnte. Das gesamte DSV-Frauen-Team fiel in der Nationenwertung auf Rang fünf zurück.

Nordische Kombination: Nicht mehr in der absoluten Weltspitze sind auch die Kombinierer. Unter ihrem neuen Trainer Eric Frenzel, der Erfolgscoach Hermann Weinbuch beerbte, blieben die einst so dominanten Winter-Zweikämpfer erstmals seit 25 Jahren ohne einen einzigen Weltcup-Sieg. „Es ist klar, dass das nicht unser Anspruch ist", bilanzierte Frenzel und machte Hoffnung auf die WM-Saison: "Wir haben nicht das Gefühl, dass Welten dazwischen liegen. Wir haben noch Reserven, die wir nicht ganz rausgekitzelt haben.“ Manuel Faißt aus Baiersbronn wurde als Siebter im Gesamtweltcup bester Deutscher, für eine positive Überraschung sorgte auch der junge Buchenberger David Mach mit Podestplatz drei beim Weltcup in Otepää/Estland. Bei den Frauen zeigte die Schwarzwälderin Nathalie Armbruster mit Rang fünf eine solide Saison.

Langlauf: Die Arbeit von Bundestrainer Peter Schlickenrieder zahlt sich immer mehr aus. Die Zeiten, in denen TV-Reporter die deutschen Spitzenathleten irgendwo im Wald suchten ("Wo ist Behle?", fragte Bruno Moravetz 1980 bei Olympia in Lake Placid) sind vorbei. Die DSV-Loipen-Asse bestätigen im Weltcup mit konstant guten Leistungen die Überraschungserfolge von Katharina Hennig und Victoria Carl bei Olympia in Peking sowie die Staffel-Medaillen bei der WM in Planica. Sie lieferten den besten Weltcup-Winter seit langem ab. Carl gewann den Weltcup in Trondheim und bestieg vier weitere Mal das Podest, auch Katharina Hennig und Coletta Rydzek überraschten die Weltelite. Noch bemerkenswerter war die Leistung von Friedrich Moch vom WSV Isny: Der 23-Jährige wurde als Sechster bester Nicht-Norweger im Gesamt-Weltcup. Zehn Top-Ten-Platzierungen im Einzel sowie Rang zwei bei der Tour de Ski sind der Beweis dafür, dass Moch in der Weltspitze angekommen ist.

Text: Thomas Weiß
Bild: picture alliance

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