Paralympics in Paris: Zwei Siegerehrungen, ein Kleidungssatz

Als die Weitsprung-Sensation bei den Paralympics in Paris perfekt war, brach kurz Panik aus: Die korrekte Kleidung für die Medaillenzeremonie hatte Nele Moos erst gar nicht eingepackt. Zu stark erschien der WM-Bronzemedaillengewinnerin von Paris 2023 die Konkurrenz nach einem schweren Jahr. Hilfe eilte in Person von Weitsprung-Weltrekordhalter Markus Rehm heran, dessen Siegerehrung um geschlagene 66 Minuten verschoben werden musste, weil der Bladejumper nach seinem vierten Paralympicssieg am Mittwochabend zu lange gefeiert hatte. Die Lösung war schnell gefunden: Rehm, der 8,13 Meter gesprungen war, zog seine Siegerehrungs-Kleidung aus und seine Leverkusener Teamkollegin Nele Moos die viel zu großen Sachen an.

Nach vier Versuchen – Moos hatte bereits ihre Bestweite um einen Zentimeter auf 4,90 Meter verbessert – lag die 22-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen auf Rang fünf. Im fünften Versuch: Die zweite Bestweite: 4,93 Meter. Vorne ist die ungarische Dominatorin Luca Ekler enteilt, aber Silber und Bronze sind mit 4,99 Metern nur sechs Zentimeter weit weg. Rang vier liegt nur fünf Zentimeter vor ihr.

Kurz bevor Alles-Gewinner Rehm für Gold aufgerufen werden soll, macht sich Moos bereit, läuft entschlossen an, springt, wirft beim Aufstehen vor Freude Sand in die Grube und guckt fast geschockt: 5,13 Meter! Silber! Deutscher Rekord! Und plötzlich ertönt im Stadion auch die deutsche Hymne für Markus Rehm, dem ersten deutschen Paralympics-Sieger von Paris in der Para Leichtathletik.

Es ist die erste Paralympics-Medaille für die gebürtige Duisburgerin: „Crazy! Ich hatte das Ziel, erstmals über fünf Meter zu springen. Das habe ich in den letzten Wochen im Training immer wieder zeigen können. Nur das war mir wichtig. Ich habe mir gar keine Medaillenchancen ausgemalt, deshalb trage ich jetzt auch die Zeremonie-Kleidung von Markus, weil ich meine gekonnt zuhause gelassen habe.“

Trainer Erik Schneider wies sie vor dem sechsten Versuch daraufhin, dass gleich Markus Rehm geehrt werden würde: „Ich war mental und körperlich schon ein bisschen am Ende und dachte: Wenn die Hymne läuft, muss ich garantiert irgendwann weinen. Deshalb wollte ich so gut es geht den Sprung machen, bevor er die Medaille bekommt, weil durch die Zeremonie ja auch noch mal der Wettkampf unterbrochen wird. Das ist nicht so gut für den Rhythmus.“ Doch in dem Fall genau das, was Moos brauchte. Und als sie mit Bestweite aus der Grube kam, lief nicht nur die Hymne, sondern auch die Tränen.

„Das ist doch schön, das meine Kleidung hier noch mal aufs Podium geführt wird“, meinte der 36-jährige Rehm später und Moos sagte lachend: „Ich trage das Outfit einer Legende.“

Foto: Tom Weller / DBS

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