Kajak-Vierer begeistert im blauen Wasser

Die Seine fließt weiterhin grün-grau durch Paris. Im Westen der Großstadt schimmert das Wasser des Nautique-Zentrums von Vaires-sur-Marne in erfrischendem Blau. Zum Reinspringen – oder besser zum Paddeln. Wie geschaffen war die 2019 eingeweihte Anlage für die deutschen Renn-Kanuten, die zusammen mit den Reitern im „grünen“ Versailles dafür sorgten, dass die deutschen Medaillenprognosen einigermaßen aufgingen. Mittendrin im glitzernden See das Kanu-Quartett, der „K4“, dem die Besatzung inzwischen den Namen „Deutschland-Vierer“ gab.

Das ist marketing-technisch schon eine gute Idee. Früher sorgte der “Deutschland-Achter“ im Rudern für Serienerfolge, zuletzt jedoch stotterte das Flaggschiff (Vierte in Paris) – Platz frei also für die Kajak-Kanuten, die das Ziel – im Gegensatz zu den Riemen- und Skull-Boot-Besatzungen – ständig vor Augen haben. Der Vierer sieht das (Happy)End seit Jahren immer zuerst. 2016 (Rio) und 2021 (Tokio) ging Gold an den DKV-Schnelldampfer. Jetzt setzte sich die Serie fort, nur in veränderter Besetzung. Jacob Schopf stieß zu den Routiniers, Schlagmann Max Rendschmidt (4. Gold), Tom Liebscher-Lucz (3. Gold) und Max Lemke (2. Gold) – der bisherige Medaillen-Hamsterer Ronald Rauhe kommentiert die Paddelschläge nun für das ZDF im Fernsehen.

Die nette Headline „4 Hundertstel für den 4er“ konnte den Goldmännern egal sein, sie waren knapp, aber eben doch nach 500 Meter vor Australien über die Ziellinie gezischt. Das bringt den Konstrukteur FES, das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten ins Spiel. In 14 olympischen und paralympischen Sportarten sind die Ingenieure im Einsatz: aerodynamisch, leichter und schneller gleiten die FES-Produkte über das Wasser oder auch das Eis. Bob- oder Rodel-Piloten profitieren ebenfalls von der Hightech-Unterstützung. Die 0,04 Sekunden Vorsprung von Vaires-sur-Marne könnten das Produkt der Arbeit der Wissenschaftler aus Berlin sein.

Entsprechend bedankten sich die Vier bei allen Mitwirkenden, inklusive der Bundeswehr oder Bundespolizei, den Arbeitgebern, den Partnern, den Verbänden und ihrem Trainer. Das Deutschland-Boot: ein goldenes Teamwork. Man darf gespannt sein, welche Platzierung die Crew bei der „Regatta“ um den Titel „Mannschaft des Jahres“ zum Jahresende einnehmen wird. 2021, als der Damen-Bahnradvierer die meisten Stimmen erhielt, reichte es (nur) zu Rang 7, aber immerhin vor dem FC Bayern München.

Aber genug der Analysen und Hintergrund-Expertisen. Jetzt wird Paris zur Feierzone, die Jungs aus dem ‚Party-Boot‘ wollen es krachen lassen. Und „nicht nur mit Corona 0,0“ wie Jacob Schopf grinsend ankündigt. 

Goldene Zugabe für die jungen Hüpfer

Die Arbeitsteilung hat auch nach dem großen Olympia-Coup perfekt geklappt. Als die deutsche Nationalhymne draußen am Stade Nautique von Vaires-sur-Marne erklang, schien Max Lemke mit seinen Gedanken weit weg, oder vielleicht nicht so weit weg, aber auf die Musik konnte er sich nicht konzentrieren. Er schnaufte mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen immer wieder tief durch.  Das Mitsingen überließ er seinem Partner im Zweier-Kajak, Jakob Schopf. Zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden standen die beiden mit der Goldmedaille um den Hals auf dem Siegerpodest. 

Ein bisschen war das Finale am Freitag im Osten von Paris auch ein Generationen-Duell. Die beiden Kollegen von Lemke und Schopf aus dem Vierer saßen im zweiten deutschen Kajak-Zweier, der sich für den Medaillenkampf qualifiziert hatte. Hier also die jungen Hüpfer Lemke, 27, und Schopf, 25, gegen die alten Hasen Max Rendschmidt, 30, und Tom Liebscher-Luzc, 31. Im großen Boot schien es noch so, als ob Lemke und Schopf noch die Auszubildenden sind. Der Altersunterschied beträgt zwar nur ein paar Jahre, aber Rendschmidt und Liebscher-Lucz haben schon ein paar Medaillen mehr in ihrem Kajak-Leben gewonnen – und auch einige große Regatten mehr in den Oberarmen als die frischgebackenen Zweier-Olympiasieger. 

Aber schon in den Halbfinals zeigten die Jungen, dass sie die Doppelbelastung mit Starts in zwei Bootsklassen gut wegsteckten, besser womöglich als die Routiniers. Schopf und Lemke gewannen ihren Lauf deutlich, Rendschmidt und Liebscher-Lucz qualifizierten sich gerade so als Vierter fürs Finale. Und gaben dann Schopf und Lemke von Anfang an den Ton an, setzten sich gleich am Start an die Spitze, führten zwischendurch sogar deutlich, ehe der Vorsprung noch etwas schmolz. Rendschmidt und Liebscher-Lucz holten auf den letzten Metern zwar etwas auf, aber es reichte nur noch zu Platz fünf. „Es war für uns eine komfortable Situation, wir hatten ja schon alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben“, sagte Lemke. „Das hier war die Zugabe.“ Eine goldene Zugabe

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