„Allez Les Bleus“ – das steckt an und motiviert

Noch singen wir nicht automatisch mit, wenn die französischen Olympia-Fans ihr „Allez les Bleus“ anstimmen und dann die Marseillaise erklingen lassen – aber ansteckend ist die Freude der Gastgeber sehr wohl. Im Hinblick auf eine mögliche deutsche Fünf-Ringe-Bewerbung (wahrscheinlich für 2040) sind die Erlebnisse in Paris durchaus vorbildlich.

Beachtlich, dass die zahlreichen ausländischen Olympia-Kiebitze nichts, aber auch gar nichts an Spielen in der gallischen Metropole zu nörgeln hatten. Höchstens die Wasser-Qualität der Seine sorgte für Diskussionen, aber zuletzt kraulten die Outdoor-Schwimmer durch den Fluss. Sonst herrscht eitel Sonnenschein, Bewunderung ob der Sportstätten in Nachbarschaft zu den Wahrzeichen, der klasse Organisation, Zehntausende Menschen in die Stadien hin und wieder zurück transportieren. Die Stimmung auf den Tribünen fasziniert – und keineswegs nur, wenn „Les Bleus“ im Einsatz sind. Merci dafür.

Der Hauptgrund für die sagenhafte Olympia-Euphorie ist die Medaillen-Hausse der Gastgeber bei den XXXIII Sommerspielen. Bis dato räumen die Franzosen ab wie nie zuvor. Zum Vergleich, in Peking ging dreimal die Tricolore am Fahnenmast ganz nach oben, in London 6x, in Rio 5x, in Tokio 4x. Die Hochrechnung der Zeitung „L’Equipe“ prognostiziert bis Sonntag aktuell 20 Goldene und insgesamt 79 Treppchen-Plätze. Vor drei Jahren in Japan summierte sich die Bilanz auf 19 Medaillen. Incroyable.

Doch Achtung, die Glaskugel-Rechnung beinhaltet schon einen Fehler. Gold im Handball der Männer war fest vorgesehen – dann scheiterte der Favorit im 6-Sekunden-Krimi an Deutschland im Viertelfinale. Doch der kleine faux pas grämte nur am Rande die Grande Nation, man feierte den Abschied ihres Gladiators Nikola Karabatic. Schließlich brachten die „JO“ (Jeux Olympiques) bereits genügend Helden hervor. Im Bassin von Nanterre fischte Léo Marchand fünf Medaillen, davon vier Goldene, aus dem Wasser. Sein amerikanischer Trainer Bowman reiht ihn in eine Reihe mit Mark Spitz und Michael Phelps. „Er kann sie noch einholen“, zum Beispiel 2028 in Los Angeles – der Mann aus Toulouse zählt erst 22 Lenze.

Sieben JO-Plaketten im Schwimmen, genauso viele im Fechten und sagenhafte zehn im Judo – das sind die französischen Ultra-Sportarten. Als die Cracks in den blauen Judogis zu Füßen von Montmartre die Entscheidung “par équipes“ gewannen, widmete die Sportzeitung der Disziplin die ersten vier (!) Seiten. Insgesamt wurden die Spiele mit 40 (!) Seiten bedacht, 46 umfasste die gesamte Ausgabe vom 4. August. Vive les Jeux.

Und sie haben auch ihr Herz für die Kleinen, die wie aus dem Nichts in die olympische Glitzerwelt eintauchten. Wie den Zelluloid-Newcomer Félix Lebrun, mit 17 Jahren der jüngste Tischtennis-Medaillengewinner, mit dem Face eines Pennälers. Und nun ein junger Held. Das Team „Sportler des Jahres“ hat im deutschen Aufgebot auch viele solcher Ausreißer erlebt. Wie Nelvie Tiafack mit der ersten deutschen Box-Medaille – in Bronze - seit 2016. Oder dem Millimeter-Coup des K4 (vier Hundertstel Vorsprung), der sich jetzt stolz „Deutschland-Vierer“ nennt. Athleten aus Sportarten, die nur bei Olympia so im Fokus stehen. Und so feiern die tollen Gastgeber eben ihre Heroes.

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