Gold-Reiter Kukuk mit perfektem Plan

Christian Kukuk ist ein Kopfmensch. Der Springreiter neigt dazu, Situationen genau zu analysieren und sich Gedanken über Details zu machen. Als es in Versailles darum ging, „den schwersten Parcours“ seiner bisherigen Karriere zu meistern, da kam das dem 34-Jährigen entgegen. Mehrmals war er vor dem Finale der Einzelwertung dieser Olympischen Spiele den Weg zwischen den Hindernissen abgegangen, hatte sich ausgerechnet, wie er diesen mit seinem 14 Jahre alten Wallach Checker am besten meistert, welche Linie die beiden mit wie vielen Galoppsprüngen absolvieren sollten. Im Kopf sei er den Ritt auch noch ein paarmal durchgegangen. Was kurz darauf geschah, das hat Kukuk bei all seinem Hang zum Ausklügeln dennoch nicht oft erlebt: Sein Plan ging zu 100 Prozent, "von Sprung eins bis Sprung 15", auf.

Im Stechen der drei fehlerfreien Paare des ersten Umlaufs behielt der Riesenbecker mit seinem routinierten Partner die Oberhand, blieb als Einziger noch einmal ohne Abwurf und verwies so den Schweizer Steve Guerdat und den Niederländer Maikel van der Vleuten auf die weiteren Podestplätze. Der Triumph bedeutet das erste Einzelgold für einen deutschen Springreiter seit dem Erfolg von Ulrich Kirchhoff auf Jus de Pommes in Atlanta 1996.

Dem frisch gekürten Olympiasieger war diese „lange Durststrecke“ nicht klar. „Umso schöner, dass ich sie jetzt beenden konnte“, sagte er. Vom ersten Tag im Königlichen Park an habe er ein gutes Gefühl gehabt, das auch nicht wich, als es im Teamwettbewerb für die deutsche Equipe nur zu Platz fünf reichte.

Kukuk und Checker, das hat von Anfang an gepasst. Nach 40 Minuten Probereiten war der Angestellte von Barcelona-Olympiasieger Ludger Beerbaum vor drei Jahren aus dem Sattel des Pferdes gestiegen, das lange im Stall von Bundestrainer Otto Becker beheimatet war, und erklärte, diesen Vierbeiner sollte man unbedingt mitnehmen. „So einen Moment vergisst man nicht“, sagte Kukuk. „Da war sofort ein Gefühl da, und ich habe gemerkt, da ist besonderes Potenzial.“

Relativ schnell stellten sich Erfolge ein. Doch das Niveau, auf dem sich das Duo jetzt bewegt, erreichte es kurioserweise erst nach einer kurzen Trennungsphase. Vor eineinhalb Jahren hatte Checker wegen einer Verletzung pausieren müssen. Beerbaum brachte ihn in den Sport zurück, weil Kukuk zu dem Zeitpunkt auf Turnieren hochbelastet war, die nicht zu einem Rekonvaleszenten passten. Seit die beiden wieder zusammenkamen, „sind wir in Checkers eigentlicher Liga unterwegs“, so der Reiter. „Das hat er hier eindrucksvoll bewiesen.“

Checker sei sehr intelligent, ein Pferd, das merke, wann Leistung zu zeigen wirklich wichtig ist. Bei den Spielen sei er von Beginn an „voll bei der Sache“ und hochmotiviert gewesen. Dass die beiden dennoch nur auf Rang 24 ins Finale der besten 30 einzogen, habe an einem „dummen Fehler“ gelegen und zeige nur, wie eng es in der Weltspitze zugeht.

Dass Kukuk sich auf Checker verlassen kann, verdankt er auch der populären Reitsport-Mäzenin Madeleine Winter-Schulze und FC-Bayern-Profi Thomas Müller, denen das Pferd mittlerweile gehört. Kukuk selbst lief als Kind auch lieber als Torjäger über den Rasen, statt im Sattel zu sitzen. Aber als der Spross einer Warendorfer Pferdesportfamilie seinen Vater als Helfer zu Turnieren begleitete und nicht aufhörte, die Auftritte des Älteren zu analysieren und ihn zu korrigieren, sagte dieser, er solle es doch erst mal besser machen. Der Spross zeigte sich folgsam und ist jetzt Olympiasieger. 

Bild: picture alliance

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