Neugebauer vom Newcomer zum Vize-König

Die Frage an Silber-Leo Neugebauer war natürlich nicht ganz ernst gemeint. Ob er beim abschließenden 1500-m-Lauf seines Zehnkampfes auch noch ein bisschen gegrinst habe – wie er sonst mit einem Lächeln durch diese Sportwelt wandelt. Nein, er habe nur gelitten, ausschließlich auf die Hacken seines Widersachers Lindon Victor geblickt, um reagieren zu können.
Ansonsten ist das heiter-lockere Auftreten „ein Teil meiner Art“. Wenn man Spaß habe, gehe vieles leichter – und dann zeigt er beim Überqueren der Stabhochsprung-Latte schonmal Richtung Zuschauer. Sein Headcoach habe ihm geraten, die Freude auch beim härtesten Wettkampf zu bewahren. Und so saugte der 24-jährige Schwabe und Wahl-Texaner die irre Stimmung im Stade de France auf. „Die Stimmung im Stadion und die Fans waren schon irre – und ich habe so mein Ding gemacht“, beschrieb Leo Neugebauer im Deutschen Haus sein Flow an der olympischen Sportstätte vor 75 000 Besuchern.
Jetzt ist er stolz und versteht es „als Ehre“ bei den „Königen der Athleten“ so mitgemischt zu haben. Im vergangenen Jahr bei der Sportler-Wahl in Baden-Baden zum „Newcomer des Jahres“ erkoren, hat sich der Allrounder nun eindrucksvoll zu den ganz Großen katapultiert – bei der Umfrage ist ihm ein Platz auf der Nominierungsliste sicher. Dann wird man sehen. Frank Busemann schaffte es 1996 als letzter deutscher Zehnkämpfer zum Wahlsieger.
Die konkrete Analyse seines Fights um die Medaillen stehe erst nächste Woche an. „Noch ist alles so frisch, aber wenn ich Zuhause bin, werde ich über alles nachdenken.“ Ob sogar Gold drin gewesen wäre? Schließlich lag er bis zur vorletzten Disziplin, dem Speerwerfen, in Front. „Ja, ich war für 48 Stunden in Führung, da ist im Kopf viel los und schwer, bei sich selbst zu bleiben. Wenn doch alle mich schlagen wollen.“
Seit letztem Jahr gehört Neugebauer dem (überraschenden) Fußball-Bundesliga-Zweiten VfB Stuttgart an. Da darf man gespannt sein, wohin der Weg die beiden „Vize-Champions“ führt. Der Silber-Junge will seine Karriere von den USA (Austin) aus fortsetzen. Das Studium der Wirtschaftswissenschaften in der Tasche, kann er auch weiterhin die ziemlich idealen Einrichtungen des Colleges nutzen, um hochprofessionell zu trainieren. Für den nächsten großen Angriff auf die Krone – mit einem dann noch stärkeren zweiten Zehnkampf-Tag. Um ungebremst heiter zu bleiben.

Bild: picture alliance

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