Zeidler: Mit Leichtigkeit zum Olympiasieg

Die ersten Tränen kullerten schon im Ziel, gleich nach dem Ende des Einer-Finales. Oliver Zeidler nahm die Kappe ab und senkte kurz den Kopf. Ein paar Sekunden verharrte er in dieser Position. Nicht vor Erschöpfung, denn so ein überlegener Sieg kann Kräfte freisetzen. „Ich habe das Finale genossen, und es ist wie im Traum vergangen“, sagte er später, als die Goldmedaille bereits um seinen Hals baumelte. „Es war ein Rennen für die Ewigkeit.“  
Nach diesem ersten Moment des Innehaltens ruderte er noch ein paar Meter die Tribüne entlang, wo Freunde und die Familie saßen, noch immer oder wieder mit feuchten Augen, legte mit dem Boot an und stürmte zu seiner Freundin, die etwas abseits warte. Sofia Meakin ist auch Ruderin, gehörte zum Schweizer Doppelvierer-Team in Paris. Minutenlang hielten sich die beiden in den Armen. Sie sei, sagte Zeidler später, noch immer gerührt, „eine große, große Unterstützung“ gewesen, nicht nur hier in Paris. Sie habe ihm auch im vergangenen Jahr „ein bisschen die Leichtigkeit gegeben, die mir manchmal gefehlt hat“, sagte er und schickte gleich eine Liebeserklärung hinterher. „Sie macht mich einfach glücklich.“
Die Goldmedaille, die erste für einen deutschen Einer seit Thomas Langes Triumph in Barcelona 1992, ist für den sonst nicht zum Überschwang neigenden Zeidler „etwas Besonderes“, wie er feststellte, „denn Olympiasieger sind etwas für die Ewigkeit. Es gibt jedoch noch einen Grund, warum der Triumph im Stade Nautique bei Zeidler für so viele Emotionen sorgte. 
In Tokio 2021 war er als Gold-Favorit gestartet – und ist im Halbfinale ausgeschieden, gescheitert an den widrigen Bedingungen, der fehlenden Erfahrung und wohl auch ein bisschen an der eigenen Erwartungshaltung. Zeidler dachte kurz ans Aufhören, „weil es mir so zugesetzt hat“.  Dann ließ er sich die Olympischen Ringe in den Nacken tätowieren und nahm einen neuen Anlauf. In diesen drei Jahren schwirrte das Olympia-Trauma von Tokio irgendwie immer in seinem Kopf herum. 
In Paris hat ihn aber nichts vom Gold-Weg abbringen können. „Ich habe hier den Zuschauern eine große Show geboten“, weiß Zeidler. Jeden seiner vier Läufe in dieser Woche gewann er überlegen, im Halbfinale stellte er sogar eine olympische Bestzeit auf. Dass das Finale am Samstag um eine Stunde verschoben werden musste, weil der Bus mit dem späteren Silbermedaillen-Gewinner Solotoi aus Belarus auf dem Weg vom Olympischen Dorf zur Ruderstrecke im Osten der Stadt einen Motorschaden hatte, störte die Vorbereitung mit seinem Vater und Trainer Heino Zeidler auf das Rennen nicht. „Wir hatten alle ein gutes Gefühl diesen Morgen, deshalb hat uns das auch die Laune nicht verderben können. Wir sind cool geblieben“, sagte Oliver Zeidler. 
Nach 1000 Metern hatte er die Konkurrenz schon deutlich hinter sich gelassen. „Da habe ich gewusst, das wird heute mein Tag.“ Und es wurde der ganz große Moment des 28-Jährigen, der bei der letzten Wahl „Sportler des Jahres“ als Weltmeister Rang 3 belegt hatte – und den es 2024 durchaus noch weiter nach vorne katapultieren könnte.

Bild: picture alliance

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