Kämpfen bis die letzte Sehne brennt

„Ich muss, ich muss   - ich muss gar nichts“, sagte sich Lukas Märtens vor den Spielen von Paris immer wieder. Ein Beruhigungsmantra, denn auch wenn er nicht musste, er wollte. Und wie. Und das über 400 Meter, eine grausame Strecke. Zu lang für acht Bahnen komplett am Anschlag, zu kurz, um mit weniger als nahezu allem anzugehen. Entsprechend fertig war Lukas Märtens nach seinem grandiosen Sieg in der La Défense Arena von Paris. „Die letzten Meter waren die schlimmsten, aber auch die schönsten meines Lebens“ keuchte er nach seinem Gold-Coup. Viel mehr war ihm nicht zu entlocken, dann flossen die Tränen und wenig später entlud sich Anspannung noch mehr, indem er sich übergeben musste. Da waren die Kameras zum Glück schon Aus.

Der Druck war aber gewaltig gewesen, Märtens hatte sich nach seinem dritten Platz bei der WM im Februar verändert, der eher zurückhaltende Typ aus Magdeburg kündigte für Paris an „nicht nur in den Endlauf zu wollen, sondern auch eine Medaille.“ Auch wenn er natürlich „nicht musste“. Und er hielt Wort, schwamm das olympische Rennen komplett vom vorne. Richtig weg kam er dabei nicht, der Aussie Elijah Winnington und Kim Woomin (Südkorea) auf der Außenbahn trieben den 22-Jährigen vor sich her. Märtens musste bis auf gut 1,5 Sekunden an den im Anzug erzielten Weltrekord von Paul Biedermann aus dem Jahr 2009 schwimmen, um zum ersten Goldmedaillengewinner im Bahnenschwimmen seit Michael Groß (GER) und Uwe Daßler (DDR) 1988 in Seoul zu werden. Mehr als ein Grund zu feiern, aber für den 1,92 Meter Modellathleten, ging es nach kurzer Nacht schon über die 200 Meter weiter. Keine Zeit für Party.

Auch über die 200 Meter ist er Weltspitze, kam mit der zweitbesten Zeit des Jahres zu den Spielen.  Favorit war er im Finale aber nicht. Trotzdem lag er bis 150 Meter vorne, aber auf der letzten Bahn kam der Hammer. „Ich bin fast gestanden“, japst er in der Mixed-Zone, „es tat einfach alles weh, es hat bis in die letzte Sehne hinein gebrannt.“ Am Ende war es Platz fünf, auf Bronze des Amerikaners Luke Hobson fehlten knapp sieben Zehntel.

Nach Paris hat er Zeit und wohl auch Muße sich zu erholen. Die Saison 2024 ist gelaufen, Zeit für den Schwimmer um seinen Körper vielleicht noch leistungsfähiger zu machen. Märtens litt in der Vorbereitung auf Paris immer wieder unter Entzündungen der Nebenhöhlen, musste oft Antibiotika schlucken, was bekanntlich auch nicht gut ist für die Form. Das Problem will er nun chirurgisch angehen und „noch stärker werden“. Für den Rest der Schwimmwelt klingt das durchaus wie eine Drohung.  Märtens ist schließlich erst 22.

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