Sportjahr 2023: Nach dem Winter…

…ist noch lange nicht Schluss

Die letzten Patronen an den Schießständen sind abgefeuert, die finalen Loipenkilometer absolviert. An den Schanzen wird niemand mehr abgewunken und die Slalomstangen sind für den nächsten Winter eingesammelt. Sven Hannawald, Severin Freund und Co. müssen uns die (sportliche) Welt nicht mehr erklären und wenn wir uns ein bisschen umschauen, entdecken wir ganz bestimmt auch schon das eine oder andere zarte Frühlings-Pflänzchen.

Was unweigerlich bedeutet: Athletinnen und Athleten dieses Genres, die sich für den deutschen „Sport-Oscar“ Ende des Jahres in Baden-Baden empfehlen wollen, werden wir unweigerlich in den nächsten Monaten nicht mehr auf dem Podium sehen. Aber ist deswegen Ruhe im großen internationalen Sport? Mitnichten! Auch wenn das Jahr mit der ungeraden Zahl heuer, im Gegensatz zum dank Corona „zwangs-olympionisierten“ 2021 nicht unter den fünf Ringen erstrahlt. Zu bestaunen und hoffentlich auch zu bejubeln gibt es auch im Frühjahr, Sommer und Herbst zahlreiche Gelegenheiten, wenn das Team Deutschland im Kampf um Titel und Medaillen mitmischt.

Klar, bei der Tour de France wird es im Jahr 1 nach dem silbernen Ulle-Jubiläum bis auf die ein oder andere Etappen-Überraschung wohl nicht viel zu erstrampeln geben. Aber Ende des gleichen Monats, bei der Schwimm-WM im japanischen Fukuoka werden Anna Elendt, Isabel Gose, Florian Wellbrock und Co. mehr als nur nicht absaufen wollen. Und Letztgenannter weiß ja seit vergangenem Jahr, wie es sich im Benazét-Saal anfühlt, wenn Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne zum „Kreuzverhör“ bitten.

Die Kicker-Elite um Alex Popp will sich bei der WM im August auf der anderen Seite des Erdballs (Australien/Neuseeland) für das verlorene Finale der Euro22 schadlos halten wollen. Eine „Fast-Mannschaft des Jahres“ in Mannschaftsstärke hatten wir ja letztes Jahr schon. Überhaupt der August und der September: Leichtathletik-WM in Budapest, Kanu-Heim-WM in Duisburg (zum sechsten Mal auf der Wedau), eine historische Rad-WM in Glasgow mit neun verschiedenen Sportarten, Basketball-WM in Japan, den Philippinen und Indonesien. Und im deutschen Hockey-Mekka Mönchengladbach wollen die Weltmeister von Indien, schon als Mitfavorit für die Wahl „Mannschaft des Jahres“ gehandelt, im Schusskreis nachlegen. Ein Höhepunkt jagt den nächsten. Und manch eine(r) der / die dort die Hand nach Lorbeer ausstreckt, wird allzu gerne den dunklen Zwirn oder die Abendrobe an der Oos auspacken wollen.

Hawaii wird die deutschen Iron-Männer und Iron-Frauen im Oktober zum Verschießen der letzten Körner zwingen und bei der Turn-WM im „Goldenen Monat“ in Belgien darf zwischen Schwebebalken, Stufenbarren und Königs-Reck wieder mitgezittert werden. Ein Sportjahr mit vielen Höhepunkten auch ohne die arg strapazierten fünf Ringe.

Bild: picture alliance
Wedau-Bahn im Sportpark Duisburg

weiterlesen ...

NoKo künftig ohne Frenzel

Wenn eine Szene aus dem Wintersport 2022/23 besonders unter die Haut ging, dann das Spalier der weltbesten Kombinierer für Eric Frenzel beim Weltcupfinale in Lahti. Die Verabschiedung des erfolgreichsten Winterzweikämpfers rührte viele zu Tränen, natürlich einschließlich des 34-Jährigen, den auch die gesamte Familie nach Finnland begleitet hatte. Welch emotionaler Schlusspunkt unter eine einzigartige Karriere auf dem Sprungturm und in der Loipe.

Ein paar Zahlen: drei Olympiasiege, 18 WM-Medaillen, fünfmal Gewinner des Gesamtweltcups. Bei vier Winterspielen auf dem Treppchen – und niemals Negativschlagzeilen. Eric Frenzel wurde zigfach gefeiert, aber der Allrounder blieb stets auf dem Boden. Bescheiden, ruhig, sympathisch. So etwas wie ein Vorzeigesportler. Für seine Trainer, allen voran Hermann Weinbuch (63), der nach 27 Jahren in verantwortlicher Position nun ebenfalls einen Schlussstrich zog. Die Fans huldigten ihm, den Journalisten gewährte er stets und gerne Antworten.

Und mehrfach wählte ihn die deutsche Sportpresse auf Podiumsplätze beim „Sportler des Jahres“. Der ideale Teamplayer gehörte 2015 zur „Mannschaft des Jahres“. In Baden-Baden stand Frenzel 2014 und 2018 als Zweiter auf der Bühne des Kurhauses, jeweils nur ganz knapp hinter den Erstplazierten. Zudem Dritter im Team-Ranking des Jahres 2017.

Unvergessen bleibt neben Siegen und Pokalen die Tortur von den Olympischen Winterspielen in Peking, als er unter der Hotel-Corona-Quarantäne litt – und dann doch noch zum Staffel-Einsatz kam. Ausgemergelt lief er auf der Strecke bis zur Trance, den zweiten Platz bekam er, über alle Maßen groggy, zunächst nicht mehr mit. Jetzt will der dreifache Vater das Optimale für die Familie geben. Und die Nordische Kombination ist – weltweit – ein Stück ärmer geworden. In Seefeld, Lahti oder Oberstdorf müsste man eigentlich Loipen und Schanzen nach Eric Frenzel umbenennen.  

Bild: picture alliance

weiterlesen ...

Marika Kilius mit 80 noch topfit

Sie ist stets ein gern gesehener Gast, ob beim „Sportler des Jahres“ in Baden-Baden oder beim Ball des Sports: die ewig jung erscheinende Marika Kilius, die am 24. März ihren 80.Geburtstag feiert. Mit ihrem ein Jahr älteren Partner Hans-Jürgen Bäumler war sie einst das Traumpaar des deutschen Eiskunstlaufens und die Beiden sorgten für Rekord-Einschaltquoten im Fernsehen.

Begonnen hatte die kesse Frankfurterin ihre Karriere eigentlich im Rollkunstlauf und später auch im Eiskunstlauf mit Franz Ningel. Als sie diesem jedoch über den Kopf wuchs, suchte die energische Mutter von Marika den Münchner Hans-Jürgen Bäumler als neuen Partner aus. Blond und brünett, das passte schon rein äußerlich wie gemalt und im Eisstadion von Garmisch-Partenkirchen formte Trainer Erich Zeller die beiden zu einem Weltklassepaar.

Kilius/Bäumler errangen zwischen den Jahren 1958 und 1964 sechs EM-sowie zwei WM-Titel und lediglich die olympische Goldmedaille blieb ihnen durch ihre russischen Widersacher Ludmilla Belousowa/Oleg Protopopow vorenthalten. Ihren ersten WM-Titel holten sie sich 1963, vor genau 60 Jahren, damals auf der Freifläche in Cortina d`Ampezzo. Ein Jahr später wiederholten sie diesen Triumph in der Dortmunder Westfalenhalle, nachdem ihnen einen Monat zuvor in Innsbruck Belousowa/Protopopow die olympische Goldmedaille weggeschnappt hatten.

Für die Fans und die Regenbogenpresse war es klar, dass aus dem Traumpaar auf dem Eis auch ein Paar für das Leben werden würde. Ein Millionärssohn aus Frankfurt aber eroberte das Herz von Marika und die Hochzeit mit weißer Kutsche wurde live im Fernsehen ausgestrahlt. Dazu sagte später Marika: „Die Leute wollten uns schon verkuppeln, als ich 14 und Hans-Jürgen 15 Jahre alt waren. Wir haben uns aber eher als Geschwister gesehen.“ Bäumler ergänzte frotzelnd:“ Immerhin waren wir 25 Jahre zusammen, länger als eine Durchschnittsehe.“

Marika selbst hat ihren Weg trotz zweier gescheiterten Ehen auch als Unternehmerin gemacht, eine eigene Kosmetiklinie entworfen und pendelte viele Jahre zwischen der Schweiz und Frankfurt. Ihren 80. Geburtstag wird sie auch dank täglicher Gymnastik bei bester Gesundheit feiern und an diesem Tag natürlich mit Hans-Jürgen telefonieren, der schon seit langem oberhalb von Nizza wohnt und dort glücklich verheiratet ist. „Das Leben hat es gut mit mir gemeint und ich freue mich auf weitere, spannende Jahre“, bekennt die immer noch agile Frankfurterin.

Übrigens wurde Marika Kilius einmal „Sportlerin des Jahres“ - 1959, als sie mit Bäumler den ersten EM-Titel in Davos und die Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften in Squaw Valley gewonnen hatte. Nach ihrem WM-Sieg 1963 kamen die Beiden bei der Wahl dann auf den dritten Platz.                                     

                                                                          

weiterlesen ...

WM-Heldin Katharina Althaus visiert die nächsten Ziele an

So ist Katharina Althaus. Als am Dienstagabend der Skiclub Oberstdorf seine erfolgreichen Teilnehmer bei der Nordischen Ski-WM in Planica wieder in der Heimat empfangen hat, da machte die 26-jährige Überfliegerin schon wieder Überstunden. Über 600 Wintersport-Fans waren gekommen, gut die Hälfte wollte jetzt, nachdem alle Ehrungen und Interviews vorüber waren, aber noch ein Autogramm der WM-Heldin. Und so stellte sich das nur 1,57 Meter große und 50 Kilo leichte Energiebündel noch eine ganze Weile an die Treppe der Stadiontribüne, ließ Jung und Alt an sich vorbeiziehen, unterschrieb auf Pullis, Tassen, und Trainingsjacken. Und ja, das wertvollste Gut an diesem Abend in Oberstdorf war selbstverständlich ein Selfie mit der Dreifach-Weltmeisterin. Althaus nahm sich auch dafür die Zeit, während die anderen erfolgreichen Oberstdorfer Wintersportler schon lange in der warmen Sportalp saßen und Schnittchen aßen.

Althaus war in Planica mit ihren vier Medaillen die erfolgreichste Athletin dieser WM - und zählt wegen ihrer Erfolge und ihres wechselhaften Karriereverlaufs am Ende des Jahres bestimmt zu den aussichtsreichen Kandidatinnen bei der Wahl zur „Sportlerin des Jahres“ in Baden-Baden.

Gold hatte sie, die ewige Zweite, gleich am ersten Wettkampftag im Einzel von der Normalschanze geholt. "Ein Knotenlöser in ihrem Kopf", wie es ihr Heimtrainer am Bundesstützpunkt in Oberstdorf, Thomas Juffinger formulierte. Althaus legte grandios nach: Beim Teamspringen der Frauen war sie die überragende Weitenjägerin, ebenso wie beim Mixed-Wettbewerb an der Seite von Selina Freitag, Karl Geiger und Andreas Wellinger. Das DSV-Quartett sicherte Deutschland zum fünften Mal in Folge diesen Triumph im erst 2013 eingeführten gemischten Vierer.

Althaus musste im Tal der Schanzen, auf der Medals Plaza in Kranjska Gora und im Teamhotel in Tarvisio jede Menge Trubel und ein "großes Gefühlswirrwarr" über sich ergehen lassen. Aber sie bewältigte auch den Wechsel auf die Großschanze bravourös. In einem hochklassigen Einzel-Wettkampf holte Althaus hinter der Überraschungssiegerin Alexandria Loutitt aus Kanada und ihrer langjährigen Widersacherin Maren Lundby aus Norwegen die WM-Medaille, die ihr in ihrer bisherigen Sammlung noch gefehlt hatte: Bronze. "Ich bin über-, überglücklich - und kann es noch gar nicht so richtig glauben", hat Althaus damals an der Schanze in Slowenien gesagt. Und sie sagt es jetzt, zwei Tage nach der Schlussfeier der WM, wieder - zuhause im Oberallgäu. "Es ist immer noch so unwahr. Ich schwebe da oben und bin einfach nur dankbar, dass sich wieder so viele Menschen mit mir mitfreuen."

Den Ehrungs- und Interview-Marathon steckt Althaus locker weg. Zig Medientermine, darunter Live-Schalten zum ZDF-Sportstudio und zu Blickpunkt Sport, hat die Oberstdorferin, die zu solchen Anlässen gerne einmal ihren geliebten Allgäuer Dialekt durchklingen lässt, sympathisch und freudestrahlend gemeistert. Und dennoch verliert sie ihre sportlichen Ziele nicht aus den Augen: Seit Wochen schon haben Althaus und die Topspringerinnen im Weltcup den Saisonhöhepunkt - wohlgemerkt neben der WM - im Fokus. Und zwar die Premiere im Frauen-Skifliegen am 19. März im norwegischen Vikersund. Ein weiterer Schritt Richtung Gleichberechtigung im Frauen-Skispringen.

Das Großschanzen-Springen in Willingen, das sie mit ihrer persönlichen Bestweite von 149,5 Metern wenige Wochen vor der WM in Planica gewonnen, sei ja schon "mega-geil" gewesen. „Aber wenn ich weiß, es kann auch noch 50 Meter weiter gehen, dann freu' ich mich schon", sagte Althaus und grinste. Sie habe zwar noch nie auf einer Skiflugschanze trainiert, dennoch sei ihr davor nicht bange: "Ich habe einen Plan und den zieh ich jetzt auch durch. Und ich freu mich, dass wir Frauen jetzt auch endlich fliegen dürfen."

Jens Zimmermann, der seit Jahren ja auch das Warm-Up beim "Sportler des Jahres" in Baden-Baden moderiert, hatte neben Katharina Althaus noch weitere illustre Gäste auf der Oberstdorfer Showbühne - direkt im Auslauf der hell erleuchteten Schattenbergschanzen. Neun Sportler des Skiclubs Oberstdorf waren in Planica und brachten insgesamt 13 Medaillen nach Hause, wegen der zahlreichen Team- und Staffelwettkämpfe sogar mehr als Deutschland im Medaillenspiegel aufweist (3 Gold - 6 Silber - 3 Bronze). Apropos Medaillenspiegel. Die „Allgäuer Zeitung“ hat es sich zur Gewohnheit gemacht, spaßeshalber ein eigenes Ranking für die Region im äußersten Süden zu machen. Die Edelmetall-Sammlung des DSV wird da aufgeteilt in Athleten, die im Allgäu wohnen und/oder trainieren und Athleten, die aus Rest-Deutschland kommen. Stolz wurde in Oberstdorf verkündet, das Allgäu würde in der Nationenwertung mit rechnerisch 2,25 Gold-, drei Silber und 2,5-Bronzemedaillen auf Rang drei hinter Norwegen und Schweden stehen, Rest-Deutschland (0,75/3/0,5) nur auf Platz acht.

Dabei stachen in Planica auch zahlreiche Nicht-Allgäuer hervor. Etwa die erst 17 Jahre alte Kombiniererin Nathalie Armbruster aus dem Schwarzwald, die nicht nur zwei Silbermedaillen, sondern mit ihrer herzerfrischenden und selbstbewussten Art noch jede Menge Fans gewonnen hat. Oder Routinier Eric Frenzel, ebenfalls Kombinierer, aus dem sächsischen Erzgebirge, der mit seiner 18. WM-Medaille Langlauf-Legende Björn Daehlie als erfolgreichsten nordischen Skisportler aller Zeiten überflügelte. Für die wohl größte Überraschung aus deutscher Sicht hatte in Planica die Langlaufstaffel der Männer gesorgt.  Albert Kuchler, Janosch Brugger, Jonas Dobler und Schlussläufer Friedrich Moch bestätigten den Aufwärtstrend in der Loipe und landeten den Bronze-Coup. Brugger, der auch am Stützpunkt in Oberstdorf trainiert, sagte: "Unfassbar. Jetzt sind wir nicht mehr nur die kleinen Langläufer in Deutschland. Jetzt haben wir auch eine fucking Medaille.“  

Am Dienstag in Oberstdorf wurde noch lange gefeiert. Die ebenfalls äußerst erfolgreichen Kombi-Silberlinge Julian Schmid (3) und Vinzenz Geiger (2, Zweiter der Sportler-des-Jahres-Wahl 2022) wurden als treue FC-Bayern-Fans sogar mit leuchtend roten bengalischen Feuern hoch droben auf der Tribüne der WM-Arena begrüßt. Alle Sportler ließen die schönsten WM-Tage von Planica noch einmal Revue passieren, plauderten über ihre Glücksbringer und darüber, wo sie ihre Medaillen denn künftig aufbewahren wollen. Laura Gimmler, die mit der deutschen Langlauf-Staffel überraschend Silber gewann, hatte darauf die wohl beste und schlüssigste Antwort: Ihre neue Halskette liege momentan auf dem Nachtkästchen. Und das soll noch eine Weile so bleiben: "Da liegt sie sehr gut. Dann weiß ich jeden Tag schon in der Früh, wofür ich das alles mache." 

Bild: Ralf Lienert

 

   

weiterlesen ...
Diesen RSS-Feed abonnieren
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.