Sportler des Jahres - Juni 2021

Im wackligen Canadier um die Welt

„Einmal um die ganze Welt“, sang einst der Prager Karel Gott. Der dreimalige Olympiasieger Sebastian Brendel (33) lebte diese Empfehlung. Seit 25 Jahren kniet er im wackligen Canadier und treibt das Stechpaddel in die Wellen. „Durch unser tägliches Trainingspensum bin ich im Canadier bestimmt schon einmal um die Erde gefahren“, hat der 1,92 m große Athlet ausgerechnet. Um die Distanz zu schaffen, schippte er zudem einmal den Templiner See, sein Trainingsgewässer bei Potsdam, leer. Dazu pflügte er gewaltige Teile des Liebenberger Sees bei Kienbaum (Mark Brandenburg) und auf der berühmten Duisburger Wedau um. Jeder Baggerfahrer hätte Mühe, den Olympiasieger und neunmaligen Weltmeister in der Stundenleistung zu überbieten.

Bei einem einzigen Rennen über 1000 m bewegt Brendel mit seinem Stechpaddel rund zwölf Tonnen Wasser. 50 Kilogramm pro Schlag! Gewaltig. „Sebastian schafft das. Er hat Kraft, denn er ist fleißig und ehrgeizig“, verrät Bundestrainer Ralph Welke. Bundespolizist Brendel stand allein, aber auch mit seinem Sportkameraden Jan Vandrey 2016 in Rio de Janeiro auf dem olympischen Siegerpodest. „Jan hat aufgehört. Ich starte in Tokio nun mit meinem neuen Berliner Partner Tim Hecker“, verrät Brendel. Natürlich will der Ausnahmeathlet auch in Japan reüssieren. “Wenn man viel gearbeitet und sich viel geschunden hat, empfinde ich es immer wieder als ganz großes Gefühl, wenn ich auf dem Podest stehe und unsere deutsche Nationalhymne höre.“

Vor exakt 25 Jahren stieg der damals acht Jahre junge Sebastian ganz im Osten Deutschlands - in Schwedt an der Oder - in ein Kanu. Schon bald erkannten die Trainer sein außergewöhnliches Talent. An der Sportelite-Schule in Potsdam baute er dieses Talent bis zum Weltklasse-Athleten aus. Auf dem „Sea Forest Waterway“ in der japanischen Metropole will Sebastian Brendel seine Kraft erneut unter Beweis stellen.

Und vielleicht findet er nach den Spielen auch einmal Zeit für einen Besuch in der alten Heimat Schwedt. „Ich bin nur noch selten dort. Meine Eltern kommen lieber zu uns nach Potsdam, um ihre Enkel Hannah und Edwin zu besuchen“, berichtet der Stechpaddel-Star. Womöglich landen Hannah und Edwin auch einmal im schmalen Kanu. Erblich belastet sind sie nicht nur durch Vater Sebastian. Ehefrau Romy entstammt ebenfalls einer alten Magdeburger Kanuten-Familie. Opa Eckhard stand 1980 als Bronzemedaillen-Gewinner auf dem olympischen Siegerpodest in Moskau-Krylatskoje.

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Der Körper hat mitgespielt

Als kleiner Steppke von nicht einmal sechs Jahren wusste er schon, was er – sportlich – anstrebt. Von der Welt der Musketiere und Ritter fasziniert, erklärte Peter Joppich seinen Eltern mit Nachdruck: „Ich möchte ein Ritter werden wie die Anja im Fernseher.“ Der Kinderschüler verfolgte damals schon begeistert das Sportgeschehen im TV und bewunderte Anja Fichtel, die 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul zwei Goldmedaillen im Florettfechten (Einzel und Mannschaft) gewann. Das imponierte dem kleinen Peter gewaltig – und legte damit den Grundstein für seine eigene erfolgreiche Karriere. Der Start bei den Spielen im Sommer 2021 ist seine mittlerweile fünfte Olympiateilnahme.

Trotz seiner Erfahrung läuft für Peter Joppich die Vorbereitung für Tokio anders als gewohnt. Das Hauptproblem: Die fehlende Turnier-Praxis. „Fechten gilt als Kontaktsport und deshalb wurde alles gecancelt. Anderthalb Jahre ohne Wettkämpfe, da weiß man nicht, wo man steht und wo die anderen stehen“, beschreibt Joppich das Dilemma und verzichtet lieber auf eine Prognose für sein Abschneiden. „Aber wenigstens hat mein Körper gut mitgespielt, ich bin verletzungsfrei.“ Nach dem aktuellen Trainingslager („hier geben wir alles“) reist das Team am 17. Juli nach Asien.

Peter Joppich, am 21. Dezember 1982 in Koblenz geboren, startete bis 2007 für den Königsbacher SC Koblenz, in den er schon als Sechsjähriger eingetreten war. Die ersten beiden Fechtjahre bestanden aus spielerischem Konditionstraining, erst dann gab Fechtmeister Alfred Banyai dem Jungen erstmals ein Florett in die Hand. Peter fiel sehr schnell als trainingsfleißig auf, ebenso beeindruckten seine Schnelligkeit und sein Kampfgeist. Während der ersten fünf Jahre im Fechtclub war Peter auch ein begeisterter Kicker und tragender Spieler seiner Mannschaft, ganz nebenbei lief er schon mal bei Straßenläufen mit. Im Laufe der Zeit wurde das Training auf und neben der Planche so umfangreich, dass er sich ganz auf diese Sportart konzentrierte.

Seine größten Erfolge landete Peter Joppich 2003, 2006, 2007 und 2010 (Platz 8 bei der Wahl „Sportler des Jahres) als Einzel-Weltmeister, 2002 triumphierte er mit der Mannschaft. Drei Mal wurde er zudem Europameister. Er nahm 2004 in Athen (Sechster) und 2008 in Peking (Fünfter) an den Olympischen Spielen teil. Mit der Equipe gewann er im Herrenflorett 2012 in London Bronze, startete auch in Rio.

Der Sportsoldat der Bundeswehr kickt in seiner Freizeit noch immer mit Begeisterung und läuft im Winter gerne Ski. Seine Partnerin Ina Gorius, selbst eine erfolgreiche Sportgymnastin, und Töchterchen Nova (geboren 2016) geben ihm den familiären Rückhalt.

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Der Achter hat aus der Niederlage gelernt

Mit dem Reisebus vom Strand südlich von Rom quer durch Italien bis nach Kärnten – das klingt nach Urlaub, nach Sightseeing und auch nach ein bisschen Erholung. Aber die Ruderer des Deutschland-Achters hatten keine Zeit für touristische Zwischenstopps und vermutlich keinen Blick für die Schönheiten der italienischen Landschaft, als es Anfang Juni vom Weltcup in Sabaudia ins dreiwöchige Trainingslager nach Völkermarkt ging. Es war für sie lediglich die Fahrt von einer Anstrengung zur nächsten. Denn vor der olympischen Regatta in Tokio gibt es noch einiges zu tun. Zuerst in Österreich und dann in Japan. Die Recken fliegen bereits drei Wochen vor dem Olympia-Start nach Fernost, um sich an die klimatischen Bedingungen zu gewöhnen. 

Zwar reisten die Athleten des Paradebootes, zuletzt 2012 „Mannschaft des Jahres“, mit einem Erfolgserlebnis aus Italien ab - sie gewannen den letzten Wettbewerb vor dem Saison-Höhepunkt, das Weltcupfinale, mit einer Bootslänge Vorsprung. Allerdings taugte der Test nur bedingt als Gradmesser. Die stärksten Konkurrenten fehlten, in Italien war außerdem nur ein weiterer Achter am Start. Zudem mussten die Deutschen kurzfristig krankheitsbedingt auf Richard Schmidt verzichten. „Insofern ist das Ergebnis auch nur eingeschränkt zu beurteilen“, gibt Steuermann Martin Sauer zu. Für Maximilian Korge, der Schmidt in Sabaudia ersetzte, spielte das Ergebnis auch keine so große Rolle. „Das primäre Ziel war es, Wettkampferfahrung zu sammeln und einige Dinge auszuprobieren“, sagte er. „Der Sieg war eine schöne Belohnung. Mehr nicht.“ 

Im Trainingslager in Österreich wurde nicht nur der letzte Weltcup aufgearbeitet, sondern noch einmal die Rennen davor. Denn zu Beginn dieser Saison hatte es eine herbe Niederlage gegeben. Bei den Europameisterschaften Mitte April im italienischen Varese landete die erfolgsverwöhnte Crew nur auf dem vierten Platz. Seit der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen von Rio 2016 hatte das deutsche Großboot bis zu den kontinentalen Titelkämpfen nur drei Niederlagen hinnehmen müssen, allesamt in Vorläufen. In Varese hatten die Achter-Ruderer nach einer deutlichen Führung bei 1000 Metern einen Einbruch auf der zweiten Streckenhälfte erlebt. „Grün und blau“ seien sie gewesen, sagte Schlagmann Hannes Ocik. Bundestrainer Uwe Bender vermutete, dass beim Ausdauertraining etwas schiefgelaufen sei. Ein Detail vielleicht nur, das nicht gepasst hat, eines mit großer Wirkung allerdings. Nach der EM stellte Bender das Training um, und der Achter war schnell wieder in der Spur. Auf dem Rotsee im Mai in Luzern fehlten beim Foto-Finish nur drei Hundertstel auf den wohl schärfsten Konkurrenten um Olympia-Gold, Großbritannien, und damit zum Sieg. 

Der soll nun in Tokio folgen, es wäre der krönende Abschluss einer erfolgreichen Olympia-Dekade mit drei WM-Titeln. Trotz der verpatzten EM gelten die DRV-Ruderer weiter als Favorit auf dem Sea Forest Waterway von Tokio. „Ich will den besten Wettkampf abliefern, den ich jemals gezeigt habe“ sagt Sauer. Der 38-Jährige, der seit 2009 das Boot steuert, hat angekündigt, nach Olympia seine Karriere zu beenden. Am liebsten natürlich mit Gold im Gepäck. Feiern möchte man dann zum Jahresende in Baden-Baden, wo das Team quasi Stammgast ist. Zu vorgerückter Stunde gerne mit der grünen Team-Krawatte um die Stirn statt um den Hals.

Bild: Trainingseinheit auf dem Völkermarkter Stausee. © Deutschland-Achter

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Allen Zweifeln davon gekrault

Die Hessin Sarah Köhler gilt als Goldfisch unter den deutschen Schwimmerinnen, denn bei Europa- und Weltmeisterschaften schnappte sie schon einiges an Gold- und Silbermedaillen weg. Bei den Olympischen Spielen in Tokio will sie erneut nicht im Trüben fischen. „Ich bereite mich sehr konzentriert auf die Spiele vor“, sagt die bald 27-Jährige. Im vorigen Jahr waren ihr einmal Zweifel gekommen, ob die Pandemie nicht ihre Laufbahn beenden könnte. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Nach der Qualifikation im April düste Sarah mit den meisten deutschen Olympiakandidaten in die spanische Sierra Nevada. Mit Blick auf eine effektive Olympiavorbereitung hatten einige DSV- Sportler auf einen Meisterschafts-Start verzichtet – um sich in der Höhe für Japan zu trimmen.

Sarah Köhler tauchte zum ersten Mal bei der SG Frankfurt ins kühle Nass. Die Übungsleiter in der Hessen-Metropole erkannten schnell das Talent der geborenen Hanauerin. Und sie zog deshalb bald mit Sack und Pack nach Heidelberg an die Sport-Elite-Schule „Willy Hellbach“. Natürlich schwamm sie dort mit Hilfe ihres Trainers Michael Spikermann zu den ersten deutschen Meistertiteln. Inzwischen kann sie auf zwölf DM-Plaketten verweisen. Nach dem erfolgreichen Abitur 2014 startete die Heidelberger „Nixe“ ein Studium für Rechtswissenschaften.

Fernab von Heidelberg taten sich in Magdeburg neue Horizonte auf. Cheftrainer Bernd Henneberg (führte Dagmar Haase und Antje Buschschulte zu Olympia und WM-Gold) war in Rente gegangen, hatte aber mit dem Elmshorner Trainer Bernd Berkhahn, 2020 vom DOSB zum „Trainer des Jahres“ erkoren, einen sehr fähigen Nachfolger an die Elbe gelockt. Schon vorher zog Florian Wellbrock von Bremen ins Sportinternat nach Magdeburg. Berkhahn, aber vor allem der zweimalige Weltmeister und „deutsche Hai“ Wellbrock, erwiesen sich als Glücksmomente für Sarah Köhler. Seit 2018 lebt und trainiert das Paar in der Bördestadt. „Ein Glück für mich, denn zum ersten Mal konnte ich nach einem Wettkampf das Kürzel ‚WR‘ (Weltrekord) hinter meiner Zeit sehen“, genießt Sarah bis heute den Tag im November 2019, als die Langstrecken-Spezialistin auf der Kurzbahn 15:18,01 Minuten über 1500 Meter kraulte. Unter Berkhahn veränderte Sarah ihren Armzug, eine Kleinigkeit mit großer Wirkung, wie Weltrekord und WM-Gold in der Freiwasserstaffel (4 x 1,25 km) 2019 im südkoreanischen Gwangju bewiesen.

„Jetzt freue ich mich auf Olympia“, gesteht Sarah gegenüber Journalisten und fügt schnell hinzu: „Gut vorbereitet bin ich.“

Bild: picture alliance

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Lea Sophie Friedrich - Mit Vollgas nach Tokio

Nach dem ersten und wohl letzten offiziellen Wettkampf mit internationaler Konkurrenz vor Olympia, schaut die junge Weltklasse-Sprinterin Lea Sophie Friedrich gelöst nach Tokio. Formüberprüfung bestanden. Beim Grand Prix von Cottbus flog sie im 200-Meter-Sprint auf Platz eins. Nun kann die 21-jährige Doppelweltmeisterin der  WM 2020 in Berlin (500-Meter-Zeitfahren und Team-Sprint mit Emma Hinze und Pauline Grabosch) bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele am 23. Juli 2021 völlig befreit trainieren und weiter an der Taktik schnitzen.

Die „Newcomerin des Jahres 2020“ ließ zwar noch im Jahr der pandemisch-bedingten Funkstille  weiteres Gold folgen, dominierte die U23-Europameisterschaft in Italien mit Siegen in allen vier Disziplinen (Sprint, 500-Meter-Zeitfahren, Keirin und Team-Sprint). Seither blieb nur trainieren, trainieren, trainieren. „Ich bin schneller geworden, habe mehr Kraft und bin im Kopf weiter“, verrät Lea Sophie.

Der monatelange interne Konkurrenzkampf um die Besetzung des olympischen Teamsprints, war für sie Ansporn, kein Stress. „Für mich ist es Motivation, da kann ich mich immer an jemandem messen und vor allem habe ich gute Trainingsgpartner. Ich glaube auch, die Mädels in Deutschland sind nur deshalb so stark, weil sie untereinander so konkurrieren und weil jede versucht das Beste zu geben“, philosophiert sie.

Unterbrochen wurden die Trainingseinheiten nur durch einen vierwöchigen Streifendienst als frischgebackene Polizeimeisterin am Bahnhof von Schwerin. In Cottbus lebt sie in einer Ferienwohnung, sonntags düst sie manchmal heim nach Dassow, ans Tor zur Ostsee, sieht Familie und Hund Bobby. „Da kann ich endlich mal ein bisschen abschalten und an etwas anderes denken, außer an den Sport.“ Mit Freund Marc Jurczyk, ebenfalls Bahnsprinter, bildet sie ein „Motivationsteam“. Gegenseitige Besuche an den Wohnorten in Erfurt und Cottbus inklusive. Auch die Chemie zwischen Teamsprint-Partnerin Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich ist bestens. Gezickt wird nicht, aber gelacht. Und Meinungsverschiedenheiten enden nie im Streit.

Schon seit Monaten denkt sie schon beim Aufstehen an Olympia. „Wenn ich mich manchmal nicht so gut findet und müde bin, dann denke ich: Ok, du machst das jetzt aus einem Grund und das ist Olympia! Und du stehst jetzt auf und spornst dich an. Wenn ich auf der Bahn bin und ich bis ins Ziel noch ein paar Meter vor mir habe, aber schon richtig am Limit bin, dann denke ich an Olympia und das puscht.“

Die Bahn in Tokio kennt sie bislang nur aus einem Video auf Youtube. „Ich weiß nicht, wie sie von der Geometrie her ist. Augenscheinlich schaut sie normal aus. Ein bisschen wie Apeldoorn oder  Berlin.“ Ob dem so ist, wird sie wohl erst an der Startlinie erfahren.

Den 19.Dezember, den „Sportler des Jahres 2021“, hat sich das Bahn-Ass schon bei der Light-Version‘20 rot angestrichen, als Lea Sophie im Bénazetsaal von Baden-Baden den Newcomerpreis entgegennahm und das Preisgeld dankbar mit ihren beiden Heimatvereinen, dem SV Dassow und dem RSC Dassow teilte. „Der Sportler des Jahres ist nicht nur cool. Es ist DIE Veranstaltung des Jahres. Das ist fast wie der Oskar für einen Schauspieler. Es ist die größte Auszeichnung, die man als Sportler kriegen kann!“

Bild: Uli Hugger

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Ritt zum nächsten Olympia-Rekord

Sie ist die erfolgreichste Reiterin aller Zeiten über alle pferdesportlichen Disziplinen hinweg und Tokio sind ihre sechsten Olympischen Spiele: Isabell Werth. Sechs Gold- und drei Silbermedaillen gewann die 51-Jährige in Barcelona, Atlanta, Sydney, Hongkong und Rio de Janeiro – Dressurkollege Dr. Reiner Klimke kam bei ebenfalls fünf Teilnahmen auf sechs goldene und zwei bronzene Plaketten, Springreitlegende Hans Günter Winkler auf fünf Mal Gold und je einmal Silber und Bronze bei sechs Spielen. Nur die Kanutin Birgit Fischer (acht Mal Gold und viermal Rang zwei) liegt in der deutschen Rangliste der olympischen „Medaillenhamster“ noch vor ihr.

Die weiteren Bestmarken von Isabell Werth: neunmalige Weltmeisterin (den so gut wie sicheren Titel Nummer zehn verhinderte 2018 in Tryon/USA nur der Hurrikan „Florence“, der die Austragung der abschließenden Kür unmöglich machte), zwanzigmalige Europameisterin und fünfzehnmalige Deutsche Meisterin. Doch Zahlen und Statistiken sind ihr gar nicht so wichtig: „Ich bin vor allem stolz auf meine Pferde“, sagt sie, „und es macht mir immer wieder großen Spaß, junge Pferde zu entdecken und ihre Talente zu entwickeln.“

In der aktuellen Weltrangliste wird die „Dressur-Königin“ drei Mal in den Top-10 geführt: Platz 1 mit Bella Rose, Platz 2 mit Weihegold OLD und auf dem achten Rang mit Emilio. Da mit Jessica von Bredow-Werndl – Nummer drei auf Dalera BB und Nummer 10 auf Zaire – und Dorothee Schneider mit Showtime FRH auf dem vierten Rang zwei weitere Deutsche in der Welt ganz vorne platziert sind, stehen die Chancen auf einen Team-Erfolg in Tokio gegen die starke Konkurrenz aus Großbritannien und Dänemark wirklich gut. Im Einzel kämpft dann aber Jede gegen Jede: „Jetzt geht’s los“, sagte Isabell Werth vor den Deutschen Meisterschaften Anfang Juni in Balve – und musste sich in Grand Prix Special und in der Kür jeweils mit dem Vize-Titel hinter von Bredow-Werndl zufriedengeben. Aber Konkurrenz belebt im eigenen Lager das Geschäft.

Seit 2004 managt die studierte Juristin und Anwältin Isabell Werth in Rheinberg am Niederrhein, wo sie mit Top-Model Claudia Schiffer zur Schule ging, ihren eigenen Turnier- und Ausbildungsbetrieb. Ihr Lebensgefährte ist der ehemalige Karstadt-Manager Wolfgang Urban, ihr gemeinsamer Sohn Frederik kam 2009 zur Welt. 2017 wurde sie in Baden-Baden bei der Gala „Sportler des Jahres“ Dritte, die höchste deutsche Auszeichnung für sportliche Leistungen, das „Silberne Lorbeerblatt“ des Bundespräsidenten, erhielt sie 2008 und 2016 überreicht.

Aufgewachsen ist Isabell Werth auf dem Bauernhof der Eltern. Dort hatte sie von frühester Kindheit an Umgang mit Pferden und saß mit fünf Jahren erstmals im Sattel. Allerdings gehörte ihre Leidenschaft zunächst dem Spring- und Vielseitigkeitsreiten. Erst als ihr späterer Trainer und Mentor Dr. Uwe Schulten-Baumer die damals 17-Jährige unter seine Fittiche nahm, tauschte sie die Reitjacke gegen den Frack. Damit begann ihr Aufstieg zum Weltstar – und ein Ende ihrer unglaublichen Karriere ist nicht in Sicht!

Bild: Picture Alliance

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Levy: Eine Schraube für eine Medaille

Petrus meint es in den ersten Juni-Tagen gut mit Radsprinter Maximilian Levy. Jeden Tag Sonne und angenehme Temperaturen, die Lausitz präsentierte sich als Toskana des Ostens. „Mit meinem Trainer Eyk Pokorny bin ich jeden Tag auf der Bahn. Wir arbeiten ganz allein in Cottbus an meiner Fitness. Ich will bei meinem vierten Olympiastart noch einmal mit einer Medaille nach Hause fliegen“, verrät der viermalige Weltmeister und dreifache olympisch Medaillengewinner unumwunden.

Eigentlich wollte „Max“, er feiert am 26. Juni seinen 34. Geburtstag, 2020 - nach Tokio - die Pedalriemen locker schnallen. „Dann wurde wegen der Pandemie Olympia verschoben, also schob ich mit und hing noch ein Jahr dran“, plaudert der Bike-Crack locker wie immer. So einfach wie sich das anhört, war das mit dem Dranhängen aber nicht. „Durch die Pandemie standen wir mit unserer Familie vor völlig neuen Problemen.  Meine Frau Madeleine ging morgens zur Arbeit und ich betreute die Kinder.“ Mittags löste die mehrfache Deutsche Radsport-Ex-Meisterin ihren Mann ab.  „Manchmal beneidete ich meine Sportkameraden, die sich nach dem Vormittag-Training zur Mittagsruhe hinlegen konnten. Ich war nach meinem Familien-Programm mit unseren Töchtern Tena, Mila und Sohn Linus genau so fertig wie die Jungs nach dem Training. Doch Eyk wartete schon auf der Radrennbahn auf mich. Müde? Hilft nichts. Also los.“

Die Mühen zahlen sich aus. Die Olympia-Qualifikation bestand der Edelsprinter mit Bravour. „Bis zum Abflug nach Tokio bleiben wir jetzt in der Frankfurter Oderlandhalle und holen uns den letzten Schliff. Wir wollen kein Risiko durch vieles Herumreisen eingehen“, erklärt Levy. Er ist zufrieden, dass die Pandemie offensichtlich abebbt, denn nicht nur als Radprofi fühlt er sich eingeengt. „Einmal ging ich mit unserem einjährigen Sohn Linus Schuhe kaufen. Da spürte ich, wie schlimm Masken auf Kinder wirken können. Der Junge hatte unheimlich Angst. Erst als die Verkäuferin ein Stückchen ihres Gesichtes zeigte, beruhigte er sich.“

Die letzte Motivation holte sich der gebürtige Berliner bereits im Oktober 2020 bei den Bahnrad-Europameisterschaften. Er trat dort auf eigene Kosten als Einzelstarter an, der deutsche Verband hatte wegen der Corona-Pandemie abgesagt. „Ich flog mit zwei Goldmedaillen (Anm.: Sprint und Keirin) nach Hause. Das hat mich aufgebaut.“

Maximilian demonstrierte schon mehrfach sein Kämpferherz. Levy knallte beim Weltcuprennen 2014 in Kolumbien mit voller Wucht auf die Piste. Die Schulter war gebrochen, Sehnen und Muskel zerrissen. „Die Ärzte in Birkenwerder bei Berlin aber bekamen die Schulter wieder hin.“ Zwölf Tage vor dem Startschuss der Berliner Six Days 2017 lag der Sprinter noch bei Dr. Karsten Labs auf dem OP-Tisch im Humboldt-Klinikum in Berlin. Er war beim Training gestürzt und hatte sich wieder einmal einen komplizierten Schlüsselbeinbruch zugezogen. Mit einer Metallplatte und sieben Schrauben in der Schulter raste Levy beim Rundenrekordfahren mit 71,6 km/h um die Berliner Piste. Nach diesem Rekord umarmten sich Arzt und Radler. „Wir haben mit der schnellen Heilung, einen gemeinsamen Sieg gefeiert“, freute sich der Arzt damals. „Hoffentlich müssen die Schrauben nicht nachgezogen werden“, witzelte Maximilian. Aber so kam es. Der Körper reagierte

Bild: Uli Hugger

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Zeidler nutzt das verlorene Jahr

Das mit der Generalprobe im Sport ist so eine Sache. Klappt sie, steigt das Selbstbewusstsein und vielleicht auch der Respekt der Konkurrenz. Geht sie schief, kann es Ansporn sein, noch eine Schippe draufzulegen oder aber man beginnt zu zweifeln. Für Oliver Zeidler, den Weltmeister im Einer-Rudern, spielte der Ausgang im letzten Test vor den Olympischen Sommerspielen in Tokio, dieser dritte Platz beim Weltcup von Sabaudia, jedoch keine ganz große Rolle. Er weiß die Niederlage, die erste in dieser Saison, einzuordnen. „Ein paar körperliche Probleme“ hätten ihn das gesamte Wochenende begleitet, sagte der aus Schwaig bei Erding stammende Zeidler. „Die haben die Physios nicht ganz rausbekommen“, weshalb ihm ein wenig die Kraft ausgegangen sei. „Es waren am Ende fünf Schläge, die gefehlt haben.“  Außerdem herrschten auf der Strecke starke Winde und damit Bedingungen, die Zeidler so gar nicht mag. „Das wäre für mich in den vergangenen Jahren schon ein Ausschlusskriterium gewesen, da überhaupt eine Medaille zu machen“, sagt er.

Zeidler kann damit leben, dass die Siegesserie gerissen ist, denn „das wichtige Rennen ist bei Olympia. Wenn ich da gut bin, redet über diesen Weltcup keiner mehr", sagte der Weltmeister, ehe er ins Trainingslager nach Österreich aufbrach.  Er ist und bleibt ein Goldfavorit für die Regatta auf dem Sea Forest Waterway in Tokio. Dazu war er zu dominant in dieser Saison. Bei den Europameisterschaften in Varese in April holte er Gold, anschließend entschied er die beiden ersten Weltcups für sich. Und gewann den Gesamtweltcup. „Das freut mich, weil es meine Konstanz in der Saison auszeichnet", sagte Zeidler.

Der 24-Jährige, der für den DRC Ingolstadt startet, hat – wie im vergangenen Jahr– die Vorbereitung auf den Höhepunkt, Tokio, ausgerichtet. Als im Frühjahr 2020 die Olympischen Spiele abgesagt worden waren, hatte er seinen Fokus erst einmal neu ausrichten müssen: Das Masters-Studium in Oxford, das er im Herbst aufnehmen wollte, verschieben, den Arbeitgeber, einen Finanzdienstleister, noch ein weiteres Jahr um Arbeitszeitanpassung bitten. Und die Suche nach Sponsoren ist in diesen Zeiten auch nicht einfacher geworden.  Zeidler kam es vor, „als hätte das Jahr 2020 einen Stock in die Speichen des laufenden Rades geworfen. Alles ist ins Stocken geraten.“  

Er nutzte die wettkampffreie Zeit im vergangenen Sommer so gut es ging, arbeitete gemeinsam mit seinem Vater und Trainer Heino Zeidler daran, kleine Fehler auszumerzen. Der ehemalige Leistungsschwimmer hatte zwar ein gutes Gefühl fürs Wasser, große Fitness und glänzende Ausdauerwerte mitgebracht, als er 2017 im Sauseschritt den Rudersport erlernte, seine ersten Regatten bestritt und auf Anhieb die Weltspitze eroberte, mit dem WM-Titel 2019 als bisherige Krönung. Aber ein paar technische Defizite aufgrund der fehlenden Routine im Ruderboot waren nicht zu übersehen. „Das Jahr hat Olli gutgetan“, sagte Heino Zeidler. „Er ist noch stärker geworden.“  Und damit bestens gewappnet für Olympia. 

Bild: picture alliance

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Denise Schindler: „Es muss weitergehen“

Rasant, klug, hübsch und erfolgreich – das ist Denise Schindler. Gerade erbeutete das Paracycling-Ass trotz Materialproblemen EM-Bronze beim Einzelzeitfahren in Oberösterreich (Klasse C3), dem ersten sportlichen Vergleich seit neun Monaten und zigtausenden Trainingskilometern. Nach der Corona-Bremse folgen nun für die, seit einem Straßenbahn-Unfall im Alter von zwei Jahren unterschenkelamputierten Vorzeigeathletin die WM in Portugal, dann die Para-Games in Tokio. Zwei Silber- und eine Bronzemedaille hamsterte die Olchingerin auf den Straßen von London und Rio, in Japan liegt der Fokus auf der Bahn. Wenngleich die „Killerbiene“, wie sie in der Szene genannt wird, ihren Stachel auch beim Straßenrennen ausfahren wird.

„Ich würde gerne Gold holen. Dafür mach ich nochmals den Aufwand“, erklärt die 35-Jährige, die 2010 ihre Karriere startete und als Vollprofi vom Brandenburgischen Präventions- und Rehabilitationssportverein BPRSV e.V. aus Cottbus, vom Land Brandenburg und von der Bundeswehr unterstützt wird. „Das Niveau hat sich inzwischen so weit nach oben geschraubt, das würde mit einem regulären Job nicht mehr funktionieren. Ich bin froh über die Unterstützung der Staatskanzlei Brandenburg, die mich großenteils für den Sport freistellt.“ Acht Frauen aus USA, Japan, China, Australien, Schweden und Deutschland zählt sie zum engen Favoritenkreis. „Und es ist schon richtig hart da aufs Podium zu kommen!“

Die gebürtige Chemnitzerin hatte als eine der Ersten für eine Verlegung der Olympischen und Paralympischen Sommerspiele 2020 plädiert. „Das wäre eine riesige Corona-Party geworden. Wir hatten keinerlei Erfahrungswerte, keine Studien, kaum Masken oder Tests.“ Ein Jahr später brennt sie für die Spiele. „Wir haben jetzt eine ganz andere Situation. Es gibt Schutzmöglichkeiten. Und wie bei jeder Krise im Leben muss es auch weitergehen. Die Leute sind leer und es braucht ein gutes Zeichen der Hoffnung.“ Auch wenn die Spiele anders sein werden, sehr viel strenger und ein bisschen spaßbefreiter: 

Dass nun das IOC von den Teilnehmern verlangt, im Falle einer Covid19-Infektion auf Schadensersatzforderungen zu verzichten, findet Denise Schindler ok. „Hier muss man auch die Verbände verstehen. Das kann kein Verband tragen, unmöglich. Du musst wissen, es kann etwas passieren. Du musst dich damit auseinandersetzen, und wenn du das Risiko nicht eingehen möchtest, dann muss man auch nein sagen können. Dann fliegst du eben nicht“, spricht die Diplom–Betriebswirtin.

Die mehrfache Weltmeisterin, paralympische Medaillengewinnerin und Weltcupsiegerin auf Asphalt und im Oval, Inhaberin eines inoffiziellen Weltrekords über 3000-Meter-Einerverfolgung, setzt alles daran, das paralympische Jahr am 19. Dezember mit weiterem Edelmetall in Baden-Baden ausklingen lassen zu können. „Der Sportler des Jahres ist wie eine Weihnachtsfeier unter den Sportlern! Darauf freue ich mich immer sehr.“

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