Zuviel Radsport bei der Super WM?

Die erste Super-WM des Radsports, Titelkämpfe, die bis auf Querfeldein, alle Weltmeisterschaften, die der Radsport zu bieten hat, an einem Ort austrägt, sie war ein großes Festival des Radsports. Das fachkundige schottische Publikum feierte fast jede der 218 WM-Entscheidungen, die an elf Wettkampftagen stattfanden. Es waren stimmungsvolle Titelkämpfe, egal ob im Chris-Hoy-Velodrom von Glasgow, in der Emirates Arena (Hallenradsport), auf der BMX-Bahn oder auf dem Rundkurs durch die Innenstadt bei den Straßenrennen.

Der Bund Deutscher Radfahrer konnte elf Gold-, acht Silber- und sechs Bronzemedaillen feiern. Im offiziellen Medaillenspiegel rangiert Deutschland mit 19 Gold-, 19 Silber- und 15 Bronzemedaillen auf Rang vier hinter Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden. „Ich war überrascht, wie reibungslos in Glasgow alles funktionierte. Es war eine gelungene Veranstaltung, ein großes Radsport-Festival,“ zog BDR-Sportdirektor Patrick Moster, das Fazit.

Leider hatte man nicht die Möglichkeit, sich alles anzusehen, vieles lief parallel. 218 Titelkämpfe in elf Tagen, ein Monster-Programm. Und so blieb man doch wieder unter sich. Die Hallenradsportler waren einen Abend kurz auf der Bahn, die Bahnfahrer trafen wenigstens mal beim Abendessen auf die Straßenfahrer. Irgendwie aber fand man doch nicht oder nur selten zueinander. Und wenn eine Disziplin beendet war, dann reisten die Beteiligten ab. Ganz anders als bei Olympia, wo doch viele bis zum Schluss bleiben.

Die Idee dieser gemeinsamen Radsport-WM war gut, zeigte sie die ganze Bandbreite des Radsports, aber vieles war nicht zu Ende gedacht. Die UCI wollte sich als ein Veranstalter präsentieren, der Großes kann. Mit den sportbegeisterten Schotten und deren Organisationstalent hat es funktioniert. Es gab Kleinigkeiten zu beanstanden und auch nicht funktionierende Abläufe, die erheblich störten: Die Teamsprinterinnen mussten nach ihrem Sieg eine halbe Stunde in der Nebenhalle - ohne Zuschauer - ausharren, um auf ihre Medaillen warten. Man zerrte sie - weil der Zeitplan es so vorgab - aus der Mixed Zone weg, wo sie gerade begonnen hatten die ersten Interviews zu geben. Und stimmungsvolle Siegerehrungen gehen anders, als dass, was in Glasgow ablief. Ohne Zuschauer wurden den Sportlerinnen und Sportlern der Bahnentscheidungen die Medaillen umgehängt.

Die deutschen Teamsprinterinnen ließen alles trotzdem über sich ergehen, und das nach einem sehr langen Wettkampftag. Erst nach 23 Uhr kamen sie ins Hotel und saßen doch fröhlich morgens um Neun wieder beim Frühstück, um in die nächste Runde, das Zeitfahren, zu starten.

Das Akkreditierungssystem des Weltverbandes erschloss sich bis zum letzten Tag niemandem. Viele Medienvertreter mussten sich vor der WM für einige wenige Sportarten entscheiden, hatten keine Möglichkeit, die sogenannten „Randsportarten“ zu besuchen, weil sie sich durch die Einschränkung natürlich auf die Olympischen konzentrieren mussten. Einen Abstecher zur Halle, zum Trial? Fehlanzeige. Selbst die ARD, die zwar keine Erstübertragungsrechte besaß, sondern nur Zweitverwerter war, aber eine breite Plattform im TV und Hörfunk bietet, hatte keine Chance. „Ich hätte auch gern einen Beitrag über BMX-Freestyle gemacht, aber ich hatte keine Berechtigung an die Bahn zu kommen,“ klagte Holger Gerska von der ARD. 

Insgesamt waren - neben dem ZDF und der ARD - geraden einmal acht deutsche Journalisten und fünf Fotografen vor Ort, engagierte Medienschaffende, die vielleicht gern den einen oder anderen Beitrag über die Randsportarten gemacht hätten, was oft auch aus Zeitgründen nicht möglich war. Diese WM bot also keine Möglichkeit für die Randsportarten aus dem Schatten zu treten, im Gegenteil, die UCI verhinderte das und hat sich damit einen Bärendienst erwiesen. Auch die Sportler konnten sich - wegen der Parallelität wichtiger Entscheidungen - nur in Ausnahmefällen eine andere Radsportart ansehen. Also blieb man doch wieder unter sich.

Die Hallenradsportveranstaltungen waren angeblich schon früh ausverkauft. Doch das Bild, dass sich bot, war ein anderes. Die Akteure präsentierten sich vor halbleeren Rängen. Und mussten Änderungen im Programmablauf in Kauf nehmen, durften auch erst kurz vor ihrem eigentlichen Wettkampf in die Halle. „Dass ich jetzt plötzlich schon am Samstag dran war, und nicht wie sonst am Sonntag, hat schon alles ein wenig durcheinander gebracht,“ sagte Lukas Kohl, der in Glasgow zum siebten Mal Weltmeister im Einer wurde. Sogar unter den Augen von ZDF und Bild („in DIESER Sportart sind wir unbesiegbar“).

Glasgow 2023 war anders als 2018, als die European Championships in der Stadt waren. Dieses Ereignis war, wie München im vergangenen Jahr, ein Produkt der EBU, der europäischen TV-Anstalten, und die sendeten stundenlang live. Hier zulande war die Berichterstattung überschaubar. Sieht man von Eurosport ab, die beinahe rund um die Uhr sendeten.

Der Weltverband kassiert seit Jahren ordentlich ab, wenn TV-Anstalten, die nicht grundsätzlich Rechteinhaber sind (in Deutschland das ZDF) Minuten kaufen wollen. Das ist gerade den Randsportarten nicht dienlich. Die regionalen Fernsehsender, die gern den einen oder anderen Beitrag speziell im Hallenradsport gemacht hätten, haben bei den Preisen abgewunken.

Das Problem des Radsports ist außerdem, dass er in den letzten Jahren seine Sportarten so aufgebläht hat. Es ist keine gute Entwicklung, dass immer mehr Sportarten hinzu kommen mit immer mehr Altersklassen, ohne andere dafür aus dem Programm zu nehmen, wie es das IOC macht. Allein am Beispiel MTB wird das deutlich: Eliminator, Short Track, Staffel, E-MTB, wo soll das hinführen? Wer behält da den Überblick? Welchen Wert haben all diese Titel?

Bild: BDR-Medienservice

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