WM-Heldin Katharina Althaus visiert die nächsten Ziele an

So ist Katharina Althaus. Als am Dienstagabend der Skiclub Oberstdorf seine erfolgreichen Teilnehmer bei der Nordischen Ski-WM in Planica wieder in der Heimat empfangen hat, da machte die 26-jährige Überfliegerin schon wieder Überstunden. Über 600 Wintersport-Fans waren gekommen, gut die Hälfte wollte jetzt, nachdem alle Ehrungen und Interviews vorüber waren, aber noch ein Autogramm der WM-Heldin. Und so stellte sich das nur 1,57 Meter große und 50 Kilo leichte Energiebündel noch eine ganze Weile an die Treppe der Stadiontribüne, ließ Jung und Alt an sich vorbeiziehen, unterschrieb auf Pullis, Tassen, und Trainingsjacken. Und ja, das wertvollste Gut an diesem Abend in Oberstdorf war selbstverständlich ein Selfie mit der Dreifach-Weltmeisterin. Althaus nahm sich auch dafür die Zeit, während die anderen erfolgreichen Oberstdorfer Wintersportler schon lange in der warmen Sportalp saßen und Schnittchen aßen.

Althaus war in Planica mit ihren vier Medaillen die erfolgreichste Athletin dieser WM - und zählt wegen ihrer Erfolge und ihres wechselhaften Karriereverlaufs am Ende des Jahres bestimmt zu den aussichtsreichen Kandidatinnen bei der Wahl zur „Sportlerin des Jahres“ in Baden-Baden.

Gold hatte sie, die ewige Zweite, gleich am ersten Wettkampftag im Einzel von der Normalschanze geholt. "Ein Knotenlöser in ihrem Kopf", wie es ihr Heimtrainer am Bundesstützpunkt in Oberstdorf, Thomas Juffinger formulierte. Althaus legte grandios nach: Beim Teamspringen der Frauen war sie die überragende Weitenjägerin, ebenso wie beim Mixed-Wettbewerb an der Seite von Selina Freitag, Karl Geiger und Andreas Wellinger. Das DSV-Quartett sicherte Deutschland zum fünften Mal in Folge diesen Triumph im erst 2013 eingeführten gemischten Vierer.

Althaus musste im Tal der Schanzen, auf der Medals Plaza in Kranjska Gora und im Teamhotel in Tarvisio jede Menge Trubel und ein "großes Gefühlswirrwarr" über sich ergehen lassen. Aber sie bewältigte auch den Wechsel auf die Großschanze bravourös. In einem hochklassigen Einzel-Wettkampf holte Althaus hinter der Überraschungssiegerin Alexandria Loutitt aus Kanada und ihrer langjährigen Widersacherin Maren Lundby aus Norwegen die WM-Medaille, die ihr in ihrer bisherigen Sammlung noch gefehlt hatte: Bronze. "Ich bin über-, überglücklich - und kann es noch gar nicht so richtig glauben", hat Althaus damals an der Schanze in Slowenien gesagt. Und sie sagt es jetzt, zwei Tage nach der Schlussfeier der WM, wieder - zuhause im Oberallgäu. "Es ist immer noch so unwahr. Ich schwebe da oben und bin einfach nur dankbar, dass sich wieder so viele Menschen mit mir mitfreuen."

Den Ehrungs- und Interview-Marathon steckt Althaus locker weg. Zig Medientermine, darunter Live-Schalten zum ZDF-Sportstudio und zu Blickpunkt Sport, hat die Oberstdorferin, die zu solchen Anlässen gerne einmal ihren geliebten Allgäuer Dialekt durchklingen lässt, sympathisch und freudestrahlend gemeistert. Und dennoch verliert sie ihre sportlichen Ziele nicht aus den Augen: Seit Wochen schon haben Althaus und die Topspringerinnen im Weltcup den Saisonhöhepunkt - wohlgemerkt neben der WM - im Fokus. Und zwar die Premiere im Frauen-Skifliegen am 19. März im norwegischen Vikersund. Ein weiterer Schritt Richtung Gleichberechtigung im Frauen-Skispringen.

Das Großschanzen-Springen in Willingen, das sie mit ihrer persönlichen Bestweite von 149,5 Metern wenige Wochen vor der WM in Planica gewonnen, sei ja schon "mega-geil" gewesen. „Aber wenn ich weiß, es kann auch noch 50 Meter weiter gehen, dann freu' ich mich schon", sagte Althaus und grinste. Sie habe zwar noch nie auf einer Skiflugschanze trainiert, dennoch sei ihr davor nicht bange: "Ich habe einen Plan und den zieh ich jetzt auch durch. Und ich freu mich, dass wir Frauen jetzt auch endlich fliegen dürfen."

Jens Zimmermann, der seit Jahren ja auch das Warm-Up beim "Sportler des Jahres" in Baden-Baden moderiert, hatte neben Katharina Althaus noch weitere illustre Gäste auf der Oberstdorfer Showbühne - direkt im Auslauf der hell erleuchteten Schattenbergschanzen. Neun Sportler des Skiclubs Oberstdorf waren in Planica und brachten insgesamt 13 Medaillen nach Hause, wegen der zahlreichen Team- und Staffelwettkämpfe sogar mehr als Deutschland im Medaillenspiegel aufweist (3 Gold - 6 Silber - 3 Bronze). Apropos Medaillenspiegel. Die „Allgäuer Zeitung“ hat es sich zur Gewohnheit gemacht, spaßeshalber ein eigenes Ranking für die Region im äußersten Süden zu machen. Die Edelmetall-Sammlung des DSV wird da aufgeteilt in Athleten, die im Allgäu wohnen und/oder trainieren und Athleten, die aus Rest-Deutschland kommen. Stolz wurde in Oberstdorf verkündet, das Allgäu würde in der Nationenwertung mit rechnerisch 2,25 Gold-, drei Silber und 2,5-Bronzemedaillen auf Rang drei hinter Norwegen und Schweden stehen, Rest-Deutschland (0,75/3/0,5) nur auf Platz acht.

Dabei stachen in Planica auch zahlreiche Nicht-Allgäuer hervor. Etwa die erst 17 Jahre alte Kombiniererin Nathalie Armbruster aus dem Schwarzwald, die nicht nur zwei Silbermedaillen, sondern mit ihrer herzerfrischenden und selbstbewussten Art noch jede Menge Fans gewonnen hat. Oder Routinier Eric Frenzel, ebenfalls Kombinierer, aus dem sächsischen Erzgebirge, der mit seiner 18. WM-Medaille Langlauf-Legende Björn Daehlie als erfolgreichsten nordischen Skisportler aller Zeiten überflügelte. Für die wohl größte Überraschung aus deutscher Sicht hatte in Planica die Langlaufstaffel der Männer gesorgt.  Albert Kuchler, Janosch Brugger, Jonas Dobler und Schlussläufer Friedrich Moch bestätigten den Aufwärtstrend in der Loipe und landeten den Bronze-Coup. Brugger, der auch am Stützpunkt in Oberstdorf trainiert, sagte: "Unfassbar. Jetzt sind wir nicht mehr nur die kleinen Langläufer in Deutschland. Jetzt haben wir auch eine fucking Medaille.“  

Am Dienstag in Oberstdorf wurde noch lange gefeiert. Die ebenfalls äußerst erfolgreichen Kombi-Silberlinge Julian Schmid (3) und Vinzenz Geiger (2, Zweiter der Sportler-des-Jahres-Wahl 2022) wurden als treue FC-Bayern-Fans sogar mit leuchtend roten bengalischen Feuern hoch droben auf der Tribüne der WM-Arena begrüßt. Alle Sportler ließen die schönsten WM-Tage von Planica noch einmal Revue passieren, plauderten über ihre Glücksbringer und darüber, wo sie ihre Medaillen denn künftig aufbewahren wollen. Laura Gimmler, die mit der deutschen Langlauf-Staffel überraschend Silber gewann, hatte darauf die wohl beste und schlüssigste Antwort: Ihre neue Halskette liege momentan auf dem Nachtkästchen. Und das soll noch eine Weile so bleiben: "Da liegt sie sehr gut. Dann weiß ich jeden Tag schon in der Früh, wofür ich das alles mache." 

Bild: Ralf Lienert

 

   

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