Olympiasieger als Nachbar

„In Rio“, erinnert sich Christian Reitz „waren wir auch aufgrund der günstigen Sendezeiten mehr im Fokus als sonst.“ Und der Sportschütze nutzte das Gebot der Stunde: holte Gold mit der Schnellfeuerpistole. „Da hat auch mein Nachbar neben meiner Mietwohnung nachgefragt“, ob er tatsächlich mit einem veritablen Olympiasieger Tür an Tür lebe. Heute ist fast alles wieder wie vorher. „Sportschießen bleibt Randsportart“, so der 34-Jährige, dem sich nun – nach einjähriger Verspätung – die Chance bietet, sich der Öffentlichkeit erneut in Erinnerung zu bringen. Voraussetzung: (wieder) eine Medaille. Beim letzten Weltcup in Kroatien demonstrierte er, nach gefühlt ewiger Wettkampfpause und geschlossenen Schießanlagen, aufsteigende Form. Silber in seiner Spezialdisziplin, Sieg im Mixed, der Treffsicherste in der Mannschaft.

Aber Prognosen sind selten Sache der Schützen. Das liegt in diesem besonderen Jahr auch daran, dass man wenig bis nichts über die internationale Konkurrenz weiß. Und am Ende könne auch einem bislang völlig Unbekannten der Volltreffer gelingen. „Manchmal sind unsere Wettkämpfe wie eine Wundertüte: entweder Weltrekord oder 20 Ringe drunter, alles hängt von der Tagesform ab.“ Erstes Ziel ist immer das Finale der sechs Besten. „Dann bist Du schon recht nah an den Medaillen dran – und ich bin nicht ganz final-unerfahren.“

 In Japan war der ansonsten Vielgereiste aus Regensburg noch nicht. „Das ist auch keine Schützen-Hochburg und es gibt kaum Wettkampfstätten.“ Irgendwann in der Vergangenheit habe mal ein Weltcup in Tokio stattgefunden. Also wird der Sport der allerhöchsten Konzentration während der zuschauerlosen Spiele wohl nur am Rande wahrgenommen. Zielgenaue wie Christian Reitz haben damit kein Problem. „Wir Schützen sind entspannt“, meint er. Und so erlebte er schon den Weltcup in Kroatien als Blaupause. Tests alle 48 Stunden, problematische Unterbringung. „Und dennoch gab es positive Fälle.“

Was ihn in Tokio bei seinen vierten Sommerspielen erwartet? Vieles scheint noch fraglich. „Müssen wir drei Tage in Quarantäne, wo kann man trainieren?“ Diverse Fragezeichen begleiten die Athletinnen und Athleten ebenso wie die beruflich Tätigen während dieser XXXII Spiele. Reitz sieht einen „kleinen Grauschleier“ über dem Ganzen. „Blauäugig“ reise er auf keinen Fall nach Fernost sagte er bei der Einkleidung, die er als angenehmes „Go“ empfand. Vor Ort will er „Unnötiges vermeiden, der aktuellen Situation im Land der aufgehenden Sonne „mit Respekt“ begegnen.

Und vielleicht entwickelt sich hinterher erneut ein kleiner Hype für die Schützen, die, nach schwacher Bilanz in London 2012, mit drei Goldmedaillen in Brasilien 2016 so magistral abschnitten. Auf die Frage, ob ihm das einen Sponsor bescherte, lächelt Reitz. „Das ist ganz schwierig.“ Immerhin habe er einen Opel direkt vom Werk zu Sonderkonditionen bekommen. Für den zweifachen Welt- und 13-maligen Europameister wie ein Treffer ins Schwarze.

Bild: ISK

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