Der mit den Schmerzen ringt

Bei der letzten Sportler-Wahl wurde Frank Stäbler als Siebter eingestuft, konnte aber, wie fast alle Platzierten, nicht in Baden-Baden präsent sein. Aufgeschoben, zumal das Kurhaus von Baden-Baden derzeit noch als Impfzentrum dient. „Jeden Tag“, sagt der Europameister von 2020, „wird man mit der Pandemie konfrontiert“. Und fügt hinzu: „Das Leben spielt verrückt, man muss sich anpassen, das ist das Wichtigste.“ Und darin ist der Ringer ein Meister. Nächste Woche will er in Warschau seinen Titel auf der Matte verteidigen, der Fokus aber liegt vor allem auf Tokio, denn olympisches Gold fehlt dem Schwaben in seiner stattlichen Meriten-Sammlung.

Ob er überhaupt nach Japan fliegt. Fit, geimpft? Alles offen – aber auch da hat „Fränky“ sein Ritual. Er zweifle nicht daran, dass die Spiele stattfinden können. „Sonst ginge kein einziges Training.“ Und das nimmt jetzt nonstop an Intensität zu. Dabei gehörte der 32-Jährige besser in irgendeine Reha-Maßnahme. Denn eigentlich ist sein Körper ausgebrannt. Stäbler: „Ja, er rebelliert“ gegen das eine Jahr mehr – denn eigentlich war Olympia 2020 der letzte Fixpunkt. Doch „Kopf und Herz“ wollen immer weiter: auf die Matte, ran an die Gegner, aufs Podest…

Die lädierte Schulter „erinnert mich täglich daran“, dass es des Guten zu viel ist. Aber „dieses Spiel mit dem Feuer“ will er noch bis zum 4. August durchziehen. Der Kämpfer, der bei den letzten Spielen in Rio verletzt vorzeitig ausschied, zieht Handicaps offenbar magisch an. Ob es um die Trainingsmöglichkeiten in Musberg (die Bilder seiner Einheiten im umgebauten Stall gingen um die Welt) geht, den Zwist mit den Vereinsoberen und eben die zahlreichen gesundheitlichen Rückschläge: (zu)viel eigentlich. Denn da kommt das „Abkochen“ hinzu. Derzeit bringt er, sehr wohl austrainiert, 75 kg auf die Waage, bei der Europameistershaft startet er in der 72kg-Klasse, bis Olympia müssen dann weitere fünf Kilo runter.

Exakt am 1. Mai beginnt sein Timing zum Abnehmen. Das ist kein Neuland, aber mit dem „Alter“ fällt manches schwerer. Ernährung und Training unterliegen dann rigoros einem ausgeklügelten Plan. Selbst die Muskelmasse wird reduziert und der Kopf müsse auch mitspielen – wenn Kohlenhydrate tabu sind, Wasser dafür zum Elixier wird. „Und man morgens so müde ist, dass man kaum aufstehen kann.“ Ja, das Stichwort für die Karriere des dreifachen Weltmeisters heißt „Steh-auf-Männchen“, auch wenn das leicht despektierlich klingt. Denn der Fränky ist eher ein Fels. Selbst im Hunger-Modus. Deshalb findet er es motivierend, dass bei der EM in Polen die Allerbesten anwesend sein werden. Denn es ist der einzige richtige Wettkampf nach einem Jahr. Und auch schon wieder der finale Test vor den Games in Asien.

Also lauten die Stationen: Warschau, Tokio, Baden-Baden, wo am 19. Dezember die „Sportler des Jahres“ prämiert werden. Da gehört Frank Stäbler bereits heute auf die Favoritenliste – schon für das beispiellose Ringen um neue Ziele. Bloß gut, dass die Familie Halt gibt. Frank hat zwei gesunde Töchter, für die er auch Nächte opfert. Beim Erzählen huscht ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht – während der Online-Pressekonferenz seines Sponsor Wohninvest. Ja, auch alle Wirtschaftspartner hätten in der Krise zu ihm gehalten. Warum wohl…? Weil der Glaube an den Willen des Mannes, der mit den Schmerzen ringt, omnipräsent ist.       

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