„Schmetter­ling“ Klenz hebt ab

„Meine Kinder werden niemals Schwimmer“, schimpfte Eva Herbst. Die DDR-Sportfunktionäre hatten Eva vor die Frage gestellt. Du oder dein Mann Jochen! Es ging 1970 um die Europameisterschaften in Barcelona. Ein Ehepaar gemeinsam im westlichen Ausland, da bekamen Funktionäre an der Pleiße kalte Füße. Die beiden Leipziger hätten ja in die verkehrte Richtung schwimmen können. Eva, gerade 20, war stink sauer, beendete von heute auf morgen ihre Karriere und studierte Pädagogik. Später bereute sie ihren schnellen Sprung aus dem Schwimmbecken. Zum Glück machte sie ihr Vorhaben bezüglich ihrer Kinder nicht wahr. Sabine und Stefan entwickelten sich zu wahren Wasserratten. Eva Herbst selbst stieg 1985 beim SC DHfK als Trainerin ein und führte neben anderen Schwimmern ihre beiden Kinder zwischen 1996 und 2008 zu jeweils vier Olympischen Spielen. Enkel Ramon Klenz pflügt jetzt in der Hamburger Dulsberg-Schwimmhalle unter Aufsicht seines Trainers Veith Sieber durch das Wasser. „Nach meinen guten Ergebnissen bei den Deutschen Meisterschaften will ich bei der EM in Glasgow noch etwas zulegen“, redet sich Ramon Klenz stark.

Moralische Unterstützung holte er sich gelegentlich bei Oma und Opa in Leipzig. Auf alle Fälle kann er seinen 20. Geburtstag am 2. August zusätzlich mit einem EM-Ticket in der Tasche feiern. Aufgrund seiner Topleistungen im Berliner Schwimmbecken nominierten die Trainer den Hamburger als einzigen Schwimmer nach. „Ramon entpuppte sich als Senkrechtstarter der Meisterschaften. Seine Leistungen imponierten mir. Er wurde einstimmig für die EM nachgemeldet. Vor den Titelkämpfen gehörte er noch nicht zum 31-köpfigen DSV-Aufgebot. Vielleicht kann sich Ramon als Nummer 32 von hinten ganz nach vorn auf das Podest schwimmen. „Einfach wird das nicht, denn über 400-m-Lagen spüre ich auf der Bruststrecke noch leichte Defizite“, gibt Ramon zu.

Über seine deutsche Rekordstrecke (200 m Schmetterling) sieht es bei einer Zeit von 1:55,76 Minuten besser aus. Er zerschmetterte dabei den 32 Jahre alten deutschen Rekord von „Albatros“ Michael Groß um 48 Hundertstelsekunden. „Doch auch das wird keine Badekur“, analysiert Bundestrainer Lambertz die Bestenliste. Den Europarekord hält der Ungar Laszlo Cseh mit 1:52,70 Minuten. Allerdings stammt die Zeit aus dem Jahre 2009. Vielleicht kann Ramon die Liste deutscher Weltrekord-Schmetterlinge wie Hans Faßnacht, Gerhard Hetz und Michael Groß (übrigens alle zu „Sportlern des Jahres“ gekürt) sowie des Ostdeutschen Roger Pyttel fortsetzen.

„Ramons Resultate sehe ich als ein Ergebnis der guten Zusammenarbeit zwischen dem Hamburger Trainer Veith Sieber und unserem Verband. Sieber setzt unser Kraftkonzept voll um. Ramon schafft Kniebeuge mit 150 Kilo auf den Schultern. Damit ist er bei den Schwimmern Spitze“, lobt der Bundestrainer. Der Hamburger Ramon Klenz stammt aus einer alten sächsischen Schwimmer-Dynastie. Oma Eva (geborene Wittke) und Opa Jochen Herbst starteten 1968 bei den Sommerspielen in Mexiko für die DDR in den Lagenstaffeln. Eine Zeit lang trainierte Sabine Herbst mit den Olympiastars Kristin Otto (sechsmal Gold) und Silke Hörner (zweimal Gold) in einer Gruppe. Nach der Wende wechselte Sabine zur SSV Leutzsch, wo Vater Jochen Vereinsvorsitzender war. Sie heiratete den Schwimmer Karl-Heinz Klenz. Bei den Weltmeisterschaften 1998 im australischen Perth startete Sabine über die Lagen-Strecken, da war sie bereits schwanger. Ramon erblickte am 2. August 1998 in Leipzig das Licht der Welt und ist, wenn man so will, schon im WM-Wasser zu Hause. Mutter Sabine heißt jetzt Krauß und drückt ihrem Sohn die Daumen. „In Glasgow eine Medaille, das wäre ein Traum“, meint Ramon. Aber wie gesagt, mit der nationalen Rekordzeit wird es eng für einen Schmetterlings-Flug auf das Siegerpodest. Da muss der Sachse von der Alster einen Zahn zulegen.

Bild: picture alliance

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