Timo Boll und die sieben Europameistertitel

So alt war noch kein Europameister in der 60-jährigen Geschichte der kontinentalen Tischtennis-Titelkämpfe: Mit 37 Jahren triumphierte der Hesse im September bei der EM in Alicante im Finale mit 4:1 gegen den Rumänen Ovidiu Ionescu und sicherte sich damit seinen siebten Europameistertitel im Einzel. „Alter schützt vor Medaillen nicht“, scherzte der Linkshänder nach der Siegerehrung. Bisher war der Engländer John Hilton mit 32 Jahren bei seinem Titelgewinn 1980 in Bern der älteste Einzel-Champion.

Nach seinem verwandelten Matchball verbeugte sich Timo Boll ungläubig vor dem Publikum. „Ich kann das gar nicht glauben. Ich hatte null Erwartungen vor diesem Turnier. Aber ich bin ein Kämpfer und gebe niemals auf!“ Wegen einer hartnäckigen Halswirbelverletzung hatte Timo Boll einen nicht unerheblichen Trainingsrückstand, als es nach Spanien ging. Solchermaßen gehandicapt, tat er sich zunächst recht schwer, steigerte sich jedoch ab dem Achtelfinale stetig und traf im Halbfinale auf Teamkollege Patrick Franziska. Trotz eines 1:3-Rückstands gewann der erfolgreichste Tischtennisspieler Deutschlands mit 4:3 und hatte schließlich im Endspiel gegen den Rumänen Ovidu Ionescu keine Probleme (4:1). Zwei Tage zuvor hatte Boll noch betont: „Ich bin nach meiner langen Pause noch etwas langsam.“

Trotz seiner Zwangspausen war 2018 bis dahin schon sehr erfolgreich für den Familienvater verlaufen: WM-Silber mit dem deutschen Team, dazu mit Borussia Düsseldorf Pokalsieger, Deutscher Mannschaftsmeister und Gewinner der Champions-League (gegen Fakel Orenburg mit Dimitrij Ovtcharov) sowie Sieger bei den Europe-Top-12. Im März war er als bisher ältester Spieler überhaupt in der Weltrangliste wieder die Nummer 1.

Timo Boll, seit mehr als 15 Jahren absolute Weltklasse, galt eine Zeit lang in China als „Staatsfeind Nummer 1“ und ist dort der populärste Deutsche überhaupt. Geht er im Reich der Mitte über die Straße, gibt es einen Menschenauflauf wie bei einem Pop-Star. Vielleicht auch deswegen, weil sein Fairplay in allen Situationen bekannt ist und er als einer der klügsten Taktiker seines Sports gilt. Beim „Sportler“ stand Timo Boll schon fünfmal auf dem Treppchen: 2007, 2008 und 2010 als Zweiter, 2005 und 2011 als Dritter.

weiterlesen ...

Wirbelsturm Florence verhinderte WM-Titel Nummer zehn

An der erfolgreichsten Reiterin der Welt aller Zeiten führte auch bei den Weltreiterspielen kein Weg vorbei. In Tryon (North Carolina) sicherte sich die sechsmalige Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth im September ihre Weltmeistertitel Nummer acht (Mannschaft) und neun (Grand Prix Special). Dass nicht noch die Nummer zehn dazukam, lag an Wirbelsturm Florence, der dafür sorgte, dass die Kür ersatzlos gestrichen wurde.

Viele waren skeptisch, als sich die „Dressur-Königin“, die mit drei Pferden in den Top-Ten der Weltrangliste geführt wird, vor der WM für den Einsatz in den USA für Bella Rose entschied. Immerhin war diese seit 2014 verletzt gewesen und kam bei Isabell Werths 12. Sieg im Großen Dressurpreis von Aachen im Sommer erst zu ihrem zweiten Einsatz nach der Zwangspause.

Doch die Auftritte der beiden im Viereck von Tryon gaben der 49-Jährigen Recht. „Machtdemonstration!“, „Konkurrenz chancenlos!“ – so oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen und Kommentare in den Medien. Isabell Werth selbst sagte: „Das war eine Sternstunde!“ Schon vor der Schlussaufstellung ließ sie ihren Freudentränen freien Lauf, so emotional erlebte die gelernte Juristin den Glanzauftritt ihrer 14-jährigen Westfalen-Stute, die einen persönlichen Rekord (86,246) verzeichnen konnte.

Die Rheinbergerin – die in dem niederrheinischen Städtchen übrigens mit Supermodel Claudia Schiffer das Amplonius-Gymnasium besuchte – sattelt immer noch für den heimischen Reitverein „Graf von Schmettow Eversael“. Bei der Wahl zur „Sportlerin des Jahres 2017“ belegte Isabell Werth einen hervorragenden dritten Platz hinter Biathlon-Ikone Laura Dahlmeier und Turn-Weltmeisterin Pauline Schäfer. Sie genoss den Abend in Baden-Baden sehr, ließ sich aber noch in der Nacht nach Hause zurückbringen – weil sie ihrem Sohn Frederik (8) am Montagmorgen vor der Schule das Frühstück machen wollte.

weiterlesen ...

Simone und Alice im Wunderland

Bei der Siegerehrung kullerten die Freudentränen und auch danach war Simone Blum noch längere Zeit fassungslos. Als allerletzte Starterin bei den Weltreiterspielen im amerikanischen Tryon sicherte sich die 29-jährige Springreiterin aus Zolling Goldmedaille und Weltmeistertitel. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hab’s noch gar nicht begriffen. Alles erscheint mir so unwirklich“, stammelte sie.

Der Überraschungssieg der Deutschen, die in North Carolina mit dem Team bereits eine Bronzemedaille gewonnen hatte, war jedoch hochverdient, hatte sie auf ihrer elf Jahre alten Fuchsstute DSP Alice doch in fünf Durchgängen keinen einzigen Abwurf zu verzeichnen. „Sensationell, was die beiden in dieser Woche geleistet haben! Das ist der Hammer!“, lobte Bundestrainer Otto Becker das Paar überschwänglich. Und der Mannheimer Peter Hofmann, Präsidiumsmitglied des Verbandes und Vorsitzender des Springausschusses, strahlte: „Das war eine Sternstunde! Es ist unfassbar. Ihre Ritte waren absolute Weltklasse!“

Zunächst hatte Simone Blum, die Tochter einer Reiterfamilie (Vater Jürgen holte 1996 EM-Bronze mit dem Vielseitigkeitsteam) und seit ihrer Kindheit auf Gut Eichenhof vor den Toren Münchens im Sattel, studiert. Ihr Lehramtsstudium (Chemie und Biologie) schloss sie 2016 mit dem Master-Diplom ab, ehe sie sich komplett auf den Sport konzentrierte. 2017 wurde sie Deutsche Meisterin in der Herren-Konkurrenz und für die EM in Göteborg als Ersatzreiterin nominiert. 2018 gewann sie mit der deutschen Equipe den prestigeträchtigen Nationenpreis in Aachen – und wurde jetzt als zweite Amazone nach der Kanadierin Gail Greenough (1986) Weltmeisterin.

Kein Wunder, dass Simone Blum sagt: „Alice ist unverkäuflich!“ Entdeckt hat die Stute ihr Lebensgefährte Hans Günther Goskowitz. Der Reitlehrer und ehemalige Schüler von Reitlegende Hans Günter Winkler (Sportler des Jahres 1955/56) und die Weltmeisterin wollen demnächst heiraten – das nächste Gold für Simone Blum.

Bild: picture alliance

weiterlesen ...

Das war‘s: Robert, die Oma und das zerrissene Trikot

  • Publiziert in Sdj News

Zum Abschied hieß es Harting vor Harting. Doch während Sieger Christoph beim „letzten Schrei“ der Diskusriesen-Brüder eher die Nebenrolle zugedacht war, richteten sich aller Augen auf Bruder Robert. Im Berliner Olympiastadion feuerten und feuerten Tausende  (45.000 waren es offiziell) den Hünen mit der rund Scheibe ein letztes Mal an. Der mehrfache Olympiasieger, Europameister und Weltmeister, sowie dreifache „Sportler des Jahres“ (2012–2014) legte beim ISTAF endgültig sein Arbeitsgerät zur Seite.
„Das hatte ich mir immer gewünscht, Hier in Berlin vor meinen Freunden und Fans Adé zu sagen“, sagte der Hauptdarsteller nach Show und Sport beim großen Event in der Bundeshauptstadt. Der 33jährige war nicht nur ein Athlet mit beeindruckender Ausstrahlung. Nicht nur ein Schreihals und Trikot-Zerreißer zur Gaudi seiner Fans und der Fotografen.
Das, so sagte Harting, habe er dann ohnehin eingestellt, weil es seiner Oma nicht gefiel. Unvergessen heute noch, als die forsche alte Dame beim „Sportler des Jahres“ auf die Bühne trat um ihrem Enkel die erwiesene Ehre zuteilwerden zu lassen. „Das habt Ihr Euch nicht wirklich getraut, entfuhr es dem verblüfften Riesen“, als im Gespräch mit Katrin Müller-Hohenstein so langsam durchsickerte, dass sich in wenigen Sekunden der Vorhang heben würde, um die Großmutter aufs Parkett und unter die ZDF-Scheinwerfer zu lassen.
Robert Harting ist und war einer, der den Mund auch dann aufmachte, wenn er nicht nur zum Schreien gedacht war, um den Diskus auch akustisch möglichst weit zu tragen. Harting mischte sich ein, war Athletensprecher, legte sich auch mit den großen und größten Funktionären an, wenn es seiner Meinung nach richtig un d wichtig war. Pläne habe er genug für die Zukunft, sagte er zum Abschied. Dinge, die verändern und dann Bestand haben, möchte er in Zukunft machen. Dafür sei ein normaler Bürojob mit Sicherheit nicht geschaffen,
Im nächsten Jahr wolle er, befreit vom Trainingsstress, „erst mal die Uni fertig machen.“ Dann, so Robert Harting, habe er einen Master-of-Arts-Abschluss in Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation. „Dadurch steht mir allerhand offen - man ist eine gute Allzweckwaffe und auch ein bisschen ein Generalist.“ Auf den „neuen“ Robert Harting darf man wohl ebenso gespannt sein, wie man den „Alten“ mit Glanz und Gloria verabschiedet hat.

weiterlesen ...
Diesen RSS-Feed abonnieren
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.