2023 war für Leo Neugebauer ein Jahr wie ein Traum. Der junge Zehnkämpfer von den Fildern vor den Toren Stuttgarts, stürmte durch die Stadien in die Rekordlisten und in die Medienlandschaft. Und zu Beginn der Olympiasaison setzt der 23-Jährige seine Rekordjagd fort und nährt Olympiaträume.
Der schwäbische Zehnkämpfer löschte Anfang 2024 nach Jürgen Hingsen nun mit Frank Busemann eine weitere Zehnkampf-Legende aus den Rekordlisten.
Bei den US-College-Meisterschaften in der Halle siegte der 23-Jährige Athlet des VfB Stuttgart mit 6347 Punkten und verbesserte den 22 Jahre alten Deutschen Rekord von Olympia-Silbermedaillengewinner Frank Busemann aus dem Jahr 2002 um 56 Zähler.
„Ich bin sehr happy über diesen Sieg und den Deutschen Rekord“, freute sich der aus Leinfelden-Echterdingen stammende Neugebauer hinterher. Im Juni vergangenen Jahres hatte er bereits den 39 Jahre alten deutschen Rekord des Olympiazweiten Jürgen Hingsen mit 8836 Punkten gebrochen und wurde danach Fünfter bei der WM in Budapest.
Neugebauers Leistungen von Boston: 6,98 Sek,. (60 Meter), 7,73 Meter (Weitsprung), 16,72 Meter (Kugelstoßen), 2,09 Meter (Hochsprung), 8,25 Sek (60 Meter Hürden), 5,16 Meter (Stabhochsprung) und 2:46,42 Min. (1000 Meter). „Ich denke, das Beste in meinem Siebenkampf heute war der Hochsprung und der Stabhochsprung, der Rest war solide und normal“, analysierte der Student an der Universität in Austin/Texas seinen Wettkampf. Die 2,09 Meter bedeuten persönliche Bestleistung, mit der Kugel war er in Boston besser als bei seinem Zehnkampfrekord im vorigen Jahr.
Der Zehnkampf-Rekord von Hingsen sei sehr hart zu schlagen gewesen, meinte Neugebauer, „ich bin aber auch dankbar über den Rekord von heute“. Dass er nun beide Rekorde im Zehn- und Siebenkampf besitzt, unterstreicht seine außergewöhnliche Stellung. Trotz eines riesigen Leistungs- und Popularitätssprungs ist er am Boden geblieben.
„Leo the German“, wie sie ihn an seinem Studienort in Austin/Texas nennen, liegt mit seinen 8836 Punkten an neunter Stelle der ewigen Weltbestenliste, umringt von Olympiasiegern, Weltmeistern und Weltrekordlern.
Nach einer „coolen Saison 2023“ wurde er in Baden-Baden bei „Sportler des Jahres“ zum „Newcomer des Jahres“ gewählt, saß erstmals im ZDF-Sportstudio und stand am Ende des Jahres auch als „Leichtathlet des Jahres“ ganz oben. „Das war alles fast wie in einem Traum“, gesteht der 1.98 Meter große Hüne inzwischen, „ich hab’s genossen“. Ein Jahr zuvor hatten ihn nur die Insider seiner Sportart gekannt.
Der „amerikanische Schwabe“ wurde dann beim Bundesliga-Spiel seines Vereins VfB Stuttgart gegen Augsburg vor 50000 Zuschauern in der MHP-Arena als Neuzugang der VfB-Leichtathleten präsentiert. Seitdem ist er wieder zurück in den USA, studiert im achten Semester Wirtschaft und trainiert für die Höhepunkte im Olympiajahr. In Austin ordnet er sich als ganz normaler Student in das universitäre System ein, trainiert unter anderem mit Sprint-Weltmeisterin Dina Asher-Smith.
Zum Saisonauftakt hatte Neugebauer seine Hallenbestleistung im Siebenkampf auf 6219 Punkten verbessert. Dass er dann mit der Kugel für einen Zehnkämpfer fast unglaubliche 17,10 Meter stieß, kommentierte er lapidar mit der Anmerkung „ich bin halt ein starker Junge“.
Im Sommer steht vor den Olympischen Spielen in Paris nur ein Zehnkampf an, mehr gibt die Saisonplanung eines Zehnkämpfers kaum her. Die Europameisterschaften in Rom lässt er aus diesem Grund aus, obwohl dort ein erster internationaler Titel möglich wäre. „Ich mach mein Ding, gebe mein Bestes“, lautet seine Devise. Aber einen neuen Deutschen Rekord hält er für möglich, genauso einen ersten 9000er. „Eine Medaille wäre natürlich top“, träumt auch er vom Podium im Stade de France in Paris. Überraschungen gehören in der Leichtathletik dazu, so oder so.
„Mit dem deutschen Siebenkampf-Rekord die Hallensaison zu beenden macht viel Bock auf die kommende Freiluftsaison,“ sprüht er vor Motivation, „ich glaube, dass ich dann eine coole Saison machen kann“. Im Sommer beendet er zudem sein Studium mit dem Bachelor-Abschluss. Seine Zukunft ist noch völlig offen. „Eine berufliche Option ist da, das ist schon mal gut“, sagt er ganz nüchtern. Hängt sicher auch vom Abschneiden bei den Olympischen Spielen ab.
Text: Ewald Walker
Bild: Tom Weller