Die Wahl 2019

Die Wahl 2019

„Mannschaft des Jahres 2019“

Skisprung-Team der Herren – Donauwalzer bei der Flugshow

Eine erfolgreiche Formel kann manchmal so kurz und (scheinbar) einfach sein, und doch eine so berauschende Wirkung haben. 4 x 2 x 7 ergibt? – Gold, ganz einfach. Jedenfalls dann, wenn man ein Quartett mit den handelnden Personen Karl Geiger, Richard Freitag, Stephan Leyhe und Markus Eisenbichler bildet. Vier Skispringer, jeder zweimal für rund sieben Sekunden in der Luft, vom Absprung am Bakken bis zur Landung irgendwo zwischen K-Punkt und Auslaufzone. Ein Wettkampf, der knapp eine Minute dauert. 56 bis 60 Sekunden meist. Und der doch so fürchterlich lang, Nerven zehrend und am Ende niederschmetternd oder befreiend sein kann.

Für besagtes Quartett hing der Himmel an diesem Tag der Entscheidung bei der Nordischen Ski-Weltmeisterschaft in Innsbruck voller Geigen. Aber dessen Mitglieder stießen sich nicht den Kopf daran bei ihren wagemutigen Sätzen in der Luft, sondern tanzten am Ende den Donauwalzer mit der Konkurrenz. Mehr als 50 Punkte Vorsprung vor den zweitplatzierten Österreichern, dahinter auf dem Bronzeplatz Japan. Das Abschiedsgeschenk für den scheidenden Bundestrainer Werner Schuster hätte nicht prächtiger verpackt sein können.

18 lange Jahre mussten die Fans an der Schanze und vor den Bildschirmen warten und in diesem Falle zittern, bis feststand: Erstmals seit 18 Jahren gewann ein deutsches Skisprungteam wieder die Goldmedaille. Die legendäre Ära der deutschen Adler um Martin Schmitt und Sven Hannawald hatte endlich würdige Nachfolger gefunden.

Schlussspringer Markus Eisenbichler, der in diesen Tagen sein riesiges Potenzial wie aus einem tiefen Brunnen ausschöpfen durfte, blieb es einen Tag nach seinem Einzelerfolg vorbehalten, mit dem achten und letzten weiten Satz der schwarz-rot-goldenen Überflieger die Flugshow zu beenden.

Mit einer Punktlandung, die auch beim „Sportler des Jahres“ die gebührende Anerkennung fand.

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„Sportlerin des Jahres 2019“

Malaika Mihambo – Sieben Mal über sieben Meter

Malaika heißt „Engel“. Oder „guter Geist“. Wie ein Engel ist Malaika Mihambo über Doha eingeschwebt und hat der deutschen Leichtathletik-Mannschaft den zweiten WM-Titel im heißen Wüstenstaat beschert. Mit einem Sprung auf 7,30 Meter.

Zehn Siege in zehn Wettkämpfen, sieben Sprünge über sieben Meter – selten dominierte eine Weitspringerin eine Saison so überzeugend. In den vergangenen 15 Jahren flog nur eine einmal weiter – Brittney Reese auf 7,31 Meter, die viermalige Weltmeisterin und Olympiasiegerin von London.

Wie sehr vertraute Malaika Mihambo (25) ihrem Körper und ihren Nerven: „Mein Niveau sehe ich bei 7,20 Meter ohne Brett, mit Brett kann ich noch ein bisschen weiter springen“, versprühte sie vor dem Finale Selbstbewusstsein, um dann ihren Goldsprung mit Demut zu kommentieren: „7,30 Meter sind Wahnsinn. Ich weiß nicht, ob ich jemals im Leben wieder so weit springen werde.“ Wird sie. Wetten? Olympiagold in Tokio und Heike Drechslers deutscher Rekord von 7,48 Meter sind Anreiz genug.

Die Schlüssel zu ihrem Erfolg: ihre Schnelligkeit und Ralf Weber, ihr Trainer seit 15 Jahren. Und: Sie ist ein besonderer Mensch, der nicht nur den Leistungssport kennt. Sie hat ihr Bachelorstudium in Politik abgeschlossen und hängt den Master in Umweltwissenschaften dran. Als Kind hatte sich das sprunggewaltige Leichtgewicht auch im Ballett, Turnen und Judo versucht. 2018 wurde sie in Berlin mit 6,75 m die erste deutsche Weitsprung-Europameisterin nach Heike Drechsler (1998).

Am Tag nach dem Triumph von Doha startete sie zum Rucksacktrip durch Thailand. Auch in ihrer Ausgeglichenheit und Interessensvielfalt liegt ihr Erfolgsgeheimnis. Ein wirklich „guter Geist“, die Malaika aus dem badischen Oftersheim, die sich in Mannheim um benachteiligte Jugendliche kümmert.

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„Sportler des Jahres 2019"

Niklas Kaul – Die Antike lässt grüßen

Mit 21 Lenzen durfte man einmal – und das ist noch gar nicht so lange her – zum ersten Mal wählen gehen. Man bekam, bestandene Prüfung vorausgesetzt, den Führerschein und durfte sich das Attribut der Volljährigkeit ans Revers heften. Heute aber, doch das ist nur ein Einzelfall, darf man sich in diesem Alter auch schon einmal „König der Athleten“ nennen.

So wie Niklas Kaul aus Mainz, der in diesem Jahr im heißen Doha die Rang- und Hackordnung der weltbesten Zehnkämpfer wie eine Flipperkugel durch den Orbit schoss und letztendlich als jüngster Weltmeister aller Zeiten die wilde Hatz beendete.

Einer, mit dem vorher niemand gerechnet hatte. Zumindest nicht da ganz oben. Einer, der nach dem ersten Tag in der Ergebnisliste noch „unter ferner liefen“ rangierte. Und der dann tags darauf, als das Schicksal Unglaubliches für ihn auf dem Präsentierteller bereithielt, mit Unbeirrbarkeit und einem Willen, der nur den ganz Großen zu eigen ist, die Ziellinie des 1500-m-Laufes als Champion überquerte (8.691 Punkte). Nach vorn gepusht vor allem dank eines phänomenalen Speerwurfes (79,03 m), der sogar die Weitenmesser zur Schnitzeljagd im Stadion animierte, um des Gerätes wieder habhaft zu werden.

Wie konnte das passieren, dass, gerade in diesem Decathlon, der über Jahrzehnte hinweg unglaubliche Dramen arrivierter Hauptdarsteller hervorbrachte, auf einmal so ein junger Springinsfeld daherkam? Ein Lehramtsstudent für Physik und Sport, der bis vor sechs Jahren bei TuS Saulheim auch noch Handball spielte. Einer, der sich nun in Doha als strahlend junger Held, wie weiland in der Antike, den Lorbeerkranz aufsetzte.

Der Zehnkampf dieser Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019 war mehr als nur eine von vielen Entscheidungen. Diese beiden Tage lieferten den Beweis dafür, dass auch im Hochleistungssport Dinge geschehen (können), die in keinem Trainingsplan vorgesehen sind. Und die einen jungen Mann völlig zu Recht auf die oberste Sprosse des Podestes bei der Wahl zum „Sportler des Jahres“ hievten.

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