Die Wahl 2018

Die Wahl 2018

„Sportler des Jahres 2018“: Patrick Lange

Im Ziel auf die Knie: Antrag – kein Schwächeanfall

Am Ende lief er alle in Grund und Boden, und nachdem er – als erster Triathlet, der die „magischen“ acht Stunden auf Hawaii unterbot – im Ziel war, sank er auf die Knie. Nicht aufgrund eines Schwächeanfalls, wie man vielleicht denken könnte – nach 3,86 Kilometern Schwimmen in den wogenden Wellen des Pazifiks, 180,2 Kilometern Radfahren gegen die tückischen Mumuku-Winde und einem Marathon durch Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit quasi zum „Auslaufen“. Nein, Titelverteidiger Patrick Lange machte in Kona seiner Lebensgefährtin Jule einen Heiratsantrag. Und sie sagte unter Tränen „ja“! Emotionaler geht’s nicht.

Wie schon in der 2017er Auflage, fiel die Entscheidung in der letzten Disziplin, dem Marathon. Lange, bekannt als guter Läufer, machte seinen Rückstand auf den führenden Australier Cameron Wurf von 6:46 Minuten, den er auf die 42,195 Kilometer lange Strecke mitgenommen hatte, in beeindruckender Manier wett. Bei Kilometer 25 übernahm er erstmals die Führung, die er schließlich bis ins Ziel auch nicht mehr abgab. Dem zum Schluss wie entfesselt davon stürmenden Vorjahressieger aus dem hessischen Bad Wildungen vermochte keiner der Konkurrenten mehr zu folgen. Mit 7:52:39 Stunden verbesserte der 32-Jährige den von ihm selbst gehaltenen Rekord aus dem Vorjahr (8:01:39).

Seine Devise für das Rennen im „Mekka“ des Triathlons war einfach: Im Pazifik und auf der Radstrecke den Rückstand so gering wie möglich zu halten, um dann beim Laufen „den Turbo zu zünden“. Sein Plan ging auf. Was ihm an Erfahrung fehlte, weil er erst 2016 seine Langdistanz-Premiere gefeiert hatte, machte er durch Unbekümmertheit, Cleverness und Mut wieder wett. In seiner Jugend war Patrick Lange Mountainbike-Fahrer und gewann als 15-Jähriger immerhin die Deutsche Meisterschaft, aber nach einem kapitalen Sturz wechselte er 2002 zum Triathlon.

2017 war das zweite Jahr, in dem er sich nur auf den Sport konzentrierte und professionell arbeitet. Vorher war er bei der Bundeswehr, machte eine Ausbildung als Physiotherapeut und arbeitete danach neben dem Sport halbtags in seinem Beruf. 2017 wechselte er auch zu Trainer Faris Al-Sultan, der 2005 selbst den Ironman auf Hawaii gewonnen hatte. Der Münchner ging nicht gerade zimperlich mit ihm um. „Wenn du jemanden suchst, der dich zum Hawaii-Champion macht, dann bin ich der Falsche für dich“, sagte er in der Anfangsphase der Zusammenarbeit.

Und der neue Trainer setzte sogar noch eins drauf „Du hast zu wenig Talent, du bist zu klein. Du hast die Hebel nicht. Und es sieht auch nicht schön aus, wenn du Sport machst.“ Diese Worte hätten wohl jeden anderen demotivierte – aber nicht den Darmstädter: Im Gegenteil: „Für mich war Faris immer ein Vorbild – ich wollte es ihm bewiesen.“ Das ist ihm eindrucksvoll gelungen: 2017 gewann Patrick Lange auf Hawaii mit neuem Streckenrekord und wurde in Baden-Baden Zweiter hinter Johannes Rydzek – jetzt steht er im Bénazetsaal selbst ganz oben.

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„Sportlerin des Jahres 2018“: Angelique Kerber

Ein Titel für die Ewigkeit

Es sind diese magischen Orte, die oft symbolisch für eine Sportart stehen und den Odem des Exklusiven, des Unvergleichlichen, versprühen: Wembley als „Mekka des (britischen) Fußballs“. Die „Streif“ in Kitz, das Hahnenkamm-Rennen, als die ultimative Herausforderung im alpinen Skisport. Ja, und natürlich auch dieses kleine Stückchen Rasen vor den Toren der englischen Hauptstadt. Eingepfercht zwischen steil aufragenden Zuschauerrängen, die jeden Passierschlag, jeden krachenden Aufschlag, wie einen donnernden Kanonenschlag zurückwerfen. Wer hier, auf dieser kleinen unscheinbaren Rasenfläche, der man die Attitüde des „Heiligen“ verliehen hat, besteht, der kann, der muss ein Großer, eine Große sein.

So wie sie: Angelique Kerber. Erfolge in Australien und New York hin oder her. Nummer 1 der Welt – schön und gut. Aber erst dieser Tag im Juli 2018 öffnete ihr die Tür in die Ahnengalerie der Heldinnen in Weiß. Auf einer Stufe mit glanzvollen Namen wie Billie Jean King, Martina Navratilova, Steffi Graf. Und, und, und. Ihr Zwei-Satz-Erfolg im Finale über Serena Williams verlieh ihr den Titel, der die Doktorarbeit mit „summa cum laude“ im Spiel mit dem gelben Filzball bedeutet: Wimbledon-Siegerin. Die erste Deutsche, 22 Jahre nach Steffi Graf. „Das ist der schönste Tag meiner Karriere. Jetzt kann ich sagen: Ich bin Wimbledon-Champion. Diesen Titel kann mir keiner nehmen, ich bin überglücklich“, bekannte sie nach dem Triumph. Und verhehlte dabei auch nicht: „Heute war ich so nervös wie nie.“

Doch der historische Triumph im All England Lawn Tennis and Croquet Club war kein Freibrief für weitere Erfolge. Die Kielerin quittierte einen Fehlstart in die Hartplatz-Saison. Bei den US Open war nach der Niederlage gegen die Slowakin Dominika Cibulkova in Runde drei der letzte Ball geschlagen. Letztendlich blieb nur die Suche nach neuen Reizen, neuen Impulsen. Und sie tat das, was man auch im Fußball bei solchen Gelegenheiten zu tun pflegt, weil es eigentlich „zum Geschäft“ gehört: Anqelique Kerber wechselte ihren Trainer.

Nach nur einem Jahr erklärte sie vor den WTA-Finals in Singapur ihre Zusammenarbeit mit Wim Fissette für beendet. „Unterschiedliche Auffassungen bezüglich der zukünftigen Ausrichtung“ habe man gehabt, wurde offiziell verkündet. Nun soll es einer richten, der einst die Hoffnungen der deutschen Herren trug. Als Spieler, nicht als Coach. Rainer Schüttler ist der neue Coach der Weltranglisten-Zweiten. Ein Mann, der nach dem Ende der eigenen Karriere als Inhaber einer Tennis-Akademie für größtmögliche Fitness, für akribische Arbeit und Detail-Versessenheit steht.

Es ist die Summe vieler Kleinigkeiten, des eisernen Willens, des nicht Ausweichens auch vor ungeliebten Entscheidungen, die Angelique Kerber in diesem Jahr hat weiter an sich arbeiten und dabei reifen lassen. Ein Prozess, der der Linkshänderin auch zum zweiten Mal den Titel der „Sportlerin des Jahres“ beschert hat. Garniert mit jedem einzigartigen Attribut, das ihr vor zwei Jahren noch gefehlt hatte – das der Wimbledon-Siegerin. Eines Triumphes, der einzigartig, aber nicht ihr einziger dort sein und bleiben soll.

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„Mannschaft des Jahres 2018“: Eishockey-Nationalmannschaft

So wahrscheinlich wie hitzefrei am Nordpol

Mal waren es die Alpinen wie Heidi Biebl oder „Luggi“ Leitner. Mal die Nordischen wie Georg Thoma oder Franz Keller. Später die „Adler“ (Jens Weißflog, Sven Hannawald oder Martin Schmitt). Nicht zu vergessen die Skijäger(innen) mit Ricco Groß, Fritz Fischer, Magdalena Neuner. Ja, und natürlich das Eis: Kilius/Bäumler, Manfred Schnelldorfer. Und viele andere mehr. Die Liste deutscher Sportlerinnen und Sportler, die bei Olympischen Winterspielen für glänzende Ergebnisse in Form von Medaillen gesorgt haben, ist lang. Auf Schnee und Eis blühten deutsche Medaillenträume immer besonders gut.

Nur einmal aber hatten zuvor Männer, eingepackt in schiere Teletubbies-Anzüge, geschützt durch schwere Helme mit Visier und „bewaffnet“ mit wuchtigen Holzkeulen, erfolgreich das Ringen um olympisches Edelmetall aufgenommen. 1976 nämlich, als es in einer Sechserrunde sensationell Bronze gab. Bis jedoch der Einzug ins Finale, diese ins Reich der Visionen verwiesene, verwegene Vorstellung eines Griffs zum Gold, Realität wurde, musste Deutschlands Sportlerfamilie bis zu diesem Jahr warten.

Dann geschah das, was zuvor so wahrscheinlich erschien wie hitzefrei für eine Schulklasse am Nordpol: Eine deutsche Eishockey-Nationalmannschaft stand im olympischen Finale. Holt die Silbermedaille gegen die Eishockey-Weltmacht schlechthin, den 26-maligen Weltmeister, die russische Sbornaja. Versetzt ganz Deutschland nach dem Triumph im Halbfinale gegen das „Mutterland“ Kanada, den neunmaligen Olympiasieger, in einen wahren taumelnden Puck-and-Penalty-Rausch.

Die Reaktion auf das 3:4 gegen den „russischen Bären“ in der Verlängerung war nicht lange zwiespältig. Nur 55 Sekunden fehlten zur Erfüllung des ganz großen Traums, den Olympiasieg Aber schnell war klar: Die DEB-Auswahl hatte Silber gewonnen, nicht Gold verloren. „Wir haben Geschichte geschrieben. Wir können unglaublich stolz auf das sein, was wir hier mit der Mannschaft erreicht haben“, sprach Verteidiger Christian Ehrhoff für das gesamte Team. „Wir waren so knapp davor, Gold zu gewinnen, deswegen war es natürlich im ersten Augenblick schmerzhaft, dies mitzuerleben“, meinte Yannic Seidenberg: „Aber als die Medaillen kamen, war ich einfach nur unglaublich stolz, dabei gewesen zu sein und sie in der Hand zu haben.“

Inzwischen hat der Alltag das deutsche Eishockey wieder eingeholt. Die Nationalmannschaft steht nach dem Abgang von Bundestrainer Marco Sturm in die NHL ohne aktuellen Trainer vor einem Neuanfang. DEB-Präsident Franz Reindl arbeitet „hinter den Kulissen“, so Ehrhoff, an einer Lösung, die das „Märchen von Pyeongchang“ nicht zu einer Eintagsfliege verkommen lassen soll. Zunächst aber gilt es noch einmal zu Feiern für die „harten Jungs vom Eis“. Denn das Finale von Baden-Baden haben sie für sich entschieden. Sie sind Deutschlands „Mannschaft des Jahres“. Und das sogar ohne „Overtime“.

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